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Die Brandungswelle

Die Brandungswelle

Titel: Die Brandungswelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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Plüschtieren gespielt haben? … Ich war bei dem Alten.«
    Er zeigte zum Hügel, dorthin, wo Théos Haus stand.
    »Mit dem Gewehr hat er mich empfangen. Er wollte nicht, dass ich reinkomme.«
    »Haben Sie vorher oder nachher Whisky getrunken?«
    Er lachte.
    »Nachher.«
    Er starrte auf den Hügel.
    »Ich habe ihn ein bisschen geschüttelt … Nicht fest, aber er hat weiterhin behauptet, dass er diesen verfluchten Scheinwerfer nicht ausgemacht hat!«
    »Wie geschüttelt?«
    »Nicht so heftig, wie ich es gern getan hätte. Als ich gegangen bin, hielt er sich noch auf den Beinen.«
    »Und wenn er die Wahrheit gesagt hat?«
    »Die Wahrheit! Er stinkt nach Lüge, wenn er von dieser Nacht damals spricht … Er schwitzt sie aus. Den Geruch kenne ich.«
    »Den Geruch der Lüge?«

    Er drehte den Kopf zu mir und lachte böse.
    »Ich war früher Bulle«, sagte er und presste den Kopf an die Stütze. »Das kommt nie gut an, ich weiß … Es wäre wohl besser, ich würde irgendwas anderes sagen, Totengräber oder Steuereintreiber! Sogar ein flüchtiger Mörder wäre weniger schlimm.«
    Er beugte sich über mich, sein Gesicht wenige Zentimeter von meinem entfernt. Er zog mich an sich, hielt meinen Kopf fest zwischen seinen Händen, wie in einem Schraubstock. Er zwang mich, ihn anzusehen.
    Ihn nur anzusehen.
    Und dann öffnete er die Autotür auf der Beifahrerseite.
     
    Als ich bei Théo ankam, war im Hof gerade eine Katzenschlacht vorüber. Die Katzen fauchten noch. Ich sah die gelben Augen herausfordernd funkeln.
    Es war nicht meine übliche Zeit.
    »Ich kam gerade vorbei …«, sagte ich.
    Théo sah auf die Uhr.
    »Sie kamen gerade vorbei …«, antwortete er und schaltete den Fernseher aus. »Heute ist hier Besuchstag.«
    Er ging zum Fenster, vor dem die beiden Kater saßen, die miteinander gekämpft hatten. Der eine war ein graues Tier mit kurzen Beinen. Er hatte dem anderen, der wilder zu sein schien, ein Stück Ohr abgerissen. Das Weibchen, um das sie gekämpft hatten, rekelte sich auf dem Schrank. Gleichgültig.
    Théo drehte sich um.
    »Hat er sich Sorgen gemacht?«
    »Ja, ein bisschen.«
    Er zog den Korken aus der Weinflasche, die auf dem Tisch stand, und füllte sein Glas. Dann umschloss er es mit den Händen und starrte auf den Wein darin.

    »Er sagt, dass Sie in der Sturmnacht den Scheinwerfer ausgemacht haben.«
    »Ich weiß, was er sagt!«
    Er brummte eine Reihe unverständlicher Wörter. Eine nackte Glühbirne hing an der Decke. An ihrem Kabel strahlte sie auf den Tisch, ohne sein Gesicht zu beleuchten. Staub klebte auf dem Kabel und auch auf dem Glas der Birne.
    »Sie sind auf seiner Seite?«
    »Ich bin auf der Seite von niemandem …«
    Er rieb sich das Gesicht mit den Händen, mehrmals.
    »Er kam hier reingestürmt wie ein Irrer, um mir immer wieder die gleichen Fragen zu stellen. Was soll ich ihm denn antworten? Der Leuchtturm war an, ich habe ihm die Wahrheit gesagt. Er hat mich gepackt …«
    »Er hat gesagt, dass Sie ihn mit dem Gewehr bedroht haben.«
    »Man muss sich ja schließlich verteidigen.«
    Das Gewehr stand in der Ecke, an seinem Platz zwischen Wand und Büfett.
    »Was ihm zugestoßen ist, ist ein großes Unglück, aber da gab es noch ganz andere … Was soll ich ihm denn sonst noch sagen? Es ist niemals gut, in der Vergangenheit zu wühlen.«
    Eine gelbe Katze stellte sich maunzend vor das Fenster. Sie hatte bohrende Augen. Théo stand auf, öffnete das Fenster, und die Katze sprang herein.
    Théo blieb stehen.
    »Die Nächte im Leuchtturm, das kann niemand verstehen … Ich erinnere mich an einen Burschen, den sie mir zugeteilt hatten. Er hatte nicht darum gebeten, aber sie brauchten jemanden, und die Wahl fiel auf ihn … Es war ein junger Mann, er hatte Angst vor dem Meer. Tagelang hat er wie ein Tier zwischen Bett und Wand gehockt. Nicht mal auf dem Bett … Auf dem Fußboden
zusammengekrümmt, eiskalt der Schweiß auf seinem Rücken … Bleich wie der Tod. Er war noch ein Kind. Ich dachte, die Angst würde vergehen. Ich hab seine Schichten übernommen. Ich schlief nicht. Er auch nicht. Als ich gesehen habe, dass die Angst nicht verging, hab ich die Küste informiert. Sie haben ihn nicht abgeholt. Der Junge hat sich am Weihnachtstag ins Meer gestürzt, als ich grad mal einen Moment nicht auf ihn aufgepasst hab.«
    Seine Hände verschränkten sich ineinander. Man sah die dunkleren Knoten seiner Venen, ihre Schatten auf dem Holz des Tisches.
    »Es gibt eine Menge Geschichten vom

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