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Die Brandungswelle

Die Brandungswelle

Titel: Die Brandungswelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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schwitzte.
    Ich hielt mich an das, was mir Théo gesagt hatte. Nur daran.
    »In der Nacht des Unglücks sah er einen Vogelschwarm ankommen, Gänse, ein wunderbarer Zug. Zu Dutzenden prallten sie gegen das Glas.«
    Ich erzählte ihm vom Licht des Leuchtturms, das sich in den Augen der Vögel spiegelte, von dem Mitleid, das ihn erfasst hatte, weil er sie mit solchem Vertrauen näher kommen sah.
    »Er hat gesagt, dass in dieser Nacht niemand auf dem Meer hätte sein dürfen. Er hat auch gesagt, dass es für ihn einfach unmöglich war, all diese Vögel sterben zu sehen.«
    »Und eine ganze Familie, die stirbt, wie ist das für ihn?«
    Ich antwortete nicht. Ich wartete, dass er sich beruhigte, dann fuhr ich fort.
    »Zehn, fünfzehn sind an jenem Abend ans Glas geknallt.«

    Lambert stand auf. Er lief hinter mir auf und ab.
    »Théo hat hinter dem Fenster gestanden und den Aufprall gespürt. Wenn er die Augen aufmachte hat, sah er das Blut.«
    Ich hörte das Schnapsglas an der Wand zerspringen. Ich sah ihn an. Seine Hand an seinem Schenkel, sie zitterte.
    »In welchem Moment hat er sich gesagt, dass er den Leuchtturm ausschalten wird; Pech für irgendwelche Boote?«
    »Ich weiß nicht, ob er sich das gesagt hat.«
    Ich legte Holz ins Feuer. Ich kniete einen Moment vor dem Kamin und starrte in die Flammen.
    »Théo hat mitbekommen, dass etwas passiert war, als er die Sirenen hörte. Er hat die Lichter am Hafen gesehen, die weit geöffneten Tore und das Boot, das herausgefahren kam. Als das Boot die Unglücksstelle erreicht hatte, war niemand mehr im Segelboot. Sie haben auf dem Meer gesucht. Es war Nacht. Sie hatten Lampen, aber der Seegang war stark.«
    »Sie haben nicht gründlich genug gesucht …«
    »Théo sagt, dass sie nicht besser suchen konnten.«
    Lambert schüttelte den Kopf.
    Ich trank mein Glas aus.
    Er hatte diese Wahrheit hören wollen. Ich hatte alles gesagt. Mehr zu erzählen, hätte bedeutet, mit der Erinnerung zu tricksen, anzuklagen oder zu vergeben. Das wollte ich nicht. Ebenso wenig wie eine Erinnerung erfinden.
    Das war seine Geschichte.
    »Meinen Bruder hat das Meer behalten. Es hat sich seinen Anteil genommen, so sagen sie hier!«
    »Ja, so sagen sie …«
    »Und das stört Sie nicht?«
    Er ging zur Tür und nach draußen. Ich dachte, er würde wegfahren, aber er blieb im Garten stehen. Es war kalt. Es war dunkel.
Seine Hände umklammerten die Arme wie Stricke. Die Tür stand weit offen. Nachtinsekten tranken den Tau. Ich hörte sie.
    Lambert zündete sich eine Zigarette an.
    »Es war früh am Morgen, als sie gekommen sind … Ich schlief noch. Ehe sie losfuhren, hatte meine Mutter gesagt, dass ich schon ins Bett gehen solle, falls sie spät zurückkommen würden …«
    Er drehte sich zu mir um.
    »Als sie gestorben sind, habe ich geschlafen.«
    Ich sah sein Gesicht nicht, nur seine Augen.
    »Ich bin aufgewacht, weil ich Stimmen in der Küche gehört hatte, ich dachte, es sei mein Vater. Ich bin runtergegangen. Da standen zwei Feuerwehrleute und der Bürgermeister … Ich habe sie angesehen. Ich glaube, ich habe sofort verstanden. Ich habe mich umgedreht, ich wollte wieder ins Bett, mich unter meiner Decke verkriechen, nicht hören, was sie mir zu sagen hatten …«
    Er senkte den Kopf und starrte auf den Boden zwischen seinen Füßen.
    »Ich habe mich geschämt, geschämt, weil ich nicht mit ihnen gefahren war. Weil ich nicht mit ihnen gestorben war.«
    Er hob den Kopf.
    »Zur Beisetzung kam das ganze Dorf. Sie haben Blumen ins Meer geworfen. Lili hat geweint. Alle haben geweint. Ganz am Ende habe ich jemanden sagen hören, dass vielleicht wieder der Leuchtturm ausgeschaltet war.«
    Er lächelte mich an.
    Er gab mir seine Zigarette, wir rauchten sie und zündeten eine neue an.
    »Paul … Das Meer hat ihn behalten. Er hat keine Erde, keinen Ort … Das ist am schwersten zu akzeptieren.«

    Er wandte sich ab, heftig, als wollte er den Himmel als Zeugen anrufen.
    »Seit vierzig Jahren bin ich wütend auf das Meer, wütend auf diesen alten Verrückten! Seit vierzig Jahren!«
    Er ging ins Haus und kam mit seiner Jacke wieder heraus, die Autoschlüssel in der Hand.
    »Ich will das alles von ihm selbst hören.«
    Er fuhr los.
    Ich ging zurück ins Haus, warf Holzscheite ins Feuer und zog einen Sessel heran, streckte die Beine aus und wartete, dass er zurückkommen würde.
     
    Als ich aufwachte, war das Feuer erloschen. Es war Nacht. Lambert war immer noch nicht da. Ich hatte keine Ahnung, wie

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