Die braune Rose
Wille.
Schumacher zerquetschte seine Zigarre. »Koeberle … sind Sie verrückt gewesen?« keuchte er heiser. »Das ist denn doch der Gipfel! Wenn das bekannt wird. Die Koeberle hat ein schwarzes Kind!«
»Ich schäme mich nicht«, sagte Marianne laut.
»Davon will ich gar nicht reden … das kommt noch hinzu. Sie sind auch noch stolz auf dieses Kind.«
»Ja. Ich liebe es über alles auf der Welt.«
»Es ist zum Haareausraufen! Sie erwarten doch wohl nicht von mir, daß ich diesen Schock mit Jubel überlebe? Koeberle – Sie sind die größte Enttäuschung, die ich je erlebte. Ich habe für alles Verständnis, das wissen Sie. Ich bin selbst ein Mensch mit vielen menschlichen Schwächen … keine weiß das so gut wie Sie … aber irgendwo hört auch bei mir die Duldung und das Verständnis auf. Und das ist genau hier. Eine weiße Frau und ein Neger! Ich habe das nie begriffen, so oft ich das gesehen habe. Es hat mir immer in den Händen gezuckt, diesen Frauen eine herunterzuhauen. Und nun kommt die Koeberle, meine Koeberle und hat ein Negerkind! Ob ich das jemals verkraften kann?«
»Dann bitte ich um meine Kündigung«, sagte Marianne schroff. »Und wenn es Sie beruhigt – schlagen Sie mich ins Gesicht. Für mein Kind halte ich das aus.«
Arnold Schumacher sprang auf und rannte im Zimmer hin und her. Man sah es ihm an, daß der Konflikt ernst war und daß er wirklich aus seiner bisher ruhigen und gut eingefahrenen Bahn geworfen war.
»Ich möchte Ihnen wirklich eine 'runterhauen, würde es dadurch besser!« schrie er. »Aber es hat ja keinen Sinn. Sie wissen genau, daß ich Sie brauche … Himmel noch mal, ich sage Ihnen nichts Neues, wenn ich betone, daß ich so ein Goldstück wie Sie nicht so schnell wiederfinde. Aber das Kind, dieses Kind! Koeberle, Sie kennen meine Frau nicht.«
»Nein, Herr Direktor.«
»Aber Sie werden sie kennenlernen, wenn das da herauskommt. Ich sage Ihnen nur: Wünschen Sie sich das bloß nicht. Es darf nie herauskommen. Es muß unter uns bleiben.«
»Aber Ihre Frau ist doch auch eine Mutter.«
»Ja. Aber unser Kind ist weiß, wie's sich gehört. Koeberle, sagen Sie ihr diesen Vergleich bloß nicht ins Gesicht. Eine Katastrophe ist das.« Schumacher blieb vor Marianne stehen. Er schwitzte heftig und atmete röchelnd von dem schnellen Lauf zwischen Fenster und Tür. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag.«
»Bitte?«
»Sie bringen das Kind nach Konstanz ins Heim zurück.«
»Nein«, sagte Marianne laut.
»Ich bezahle den Aufenthalt. Ich werde für das Kind sorgen. Es soll ihm nichts fehlen. Das sind Sie mir wert, Koeberle. Aber begreifen Sie doch, daß ich Sie nicht in der Firma halten kann, wenn das Kind bei Ihnen bleibt.«
»Harriet-Rose bleibt jetzt für immer bei mir. Sie wissen nicht, was in solch einem Kind vorgeht. Sie sehen wie alle anderen nur die Hautfarbe. Hat denn nur der Weiße ein Herz? Hat Gott nur dem Weißen eine empfindsame Seele gegeben? Hat nur der Weißhäutige ein Recht auf ein anständiges Leben? Spukt denn immer noch dieser verdammte Gedanke der Herrenrasse in den Gehirnen?«
Arnold Schumacher nahm seine erregte Wanderung wieder auf. Er fuchtelte mit den Armen durch die Luft, während er sprach. Bellend, heiser, seine eigene Ohnmacht erkennend und an ihr verzweifelnd.
»Mensch, Koeberle, Sie haben ja recht. Sie wissen, daß Sie recht haben. Aber wer kümmert sich in unserer satten Gesellschaft um das moralische Recht? Wer denn? Die Priester. Aber man hört sie an, belächelt sie im Inneren und tut doch, was man für richtig hält … nämlich die Pflege satter Borniertheit und oberflächenpolierter Keuschheit. Wollen Sie gegen diesen Misthaufen anstinken, Koeberle? Sie werden von der Verachtung der Masse erschlagen werden. Sie werden elend zugrunde gehen in der Säure spöttischer Mißachtung. Wollen Sie das durchmachen?«
»Ja«, sagte Marianne fest.
»Aber warum denn?« schrie Schumacher.
»Mein Kind soll ein guter Mensch werden.«
»Das kann es in vermehrtem Maße und mit amtlicher Garantie im Waisenhaus.«
»Es bleibt bei mir!« sagte Marianne. Es war endgültig, Schumacher sah es ein. Er hob hilflos die Arme und ließ sie an den Körper zurückfallen.
»Ich weiß nicht, was werden soll, Koeberle. Am besten ist, Sie nehmen erst einmal Urlaub. Sie haben drei Jahre keinen Urlaub gehabt … ich weiß es. Nehmen Sie alle Rückstände, das sind drei Monate. Fahren Sie weg.«
»Ich soll flüchten, weil ich ein Kind habe?«
»Nein. Sie sollen sich
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