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Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kam ein neues Stoffknäuel langsam herangeschwebt.
    »Ja«, sagte sie leise. »Wir kennen uns. Flüchtig.«
    »Sie saßen bei Frau Koeberle im Zimmer, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Ich wußte gar nicht, daß mein Vater sich um die Einstellung in der Textilabteilung kümmert.« Bert Schumacher lehnte sich gegen die Führungswanne, durch die das Fließband lief. Er nahm das neue Gardinenknäuel, hob es über den Kopf Roses weg und warf es einer anderen Näherin zu. Diese sah einen Augenblick dumm zu ihm hin, dann ergriff sie die Gardine und nähte weiter. Der Meister in seinem Glaskasten räusperte sich. Er wußte nicht, was das zu bedeuten hatte. Entweder ein privates Gespräch, das nicht durch Gardinen gestört werden sollte, oder eine Auseinandersetzung mit der Geste: Hier wird nicht mehr weitergenäht. Beides war unangenehm und würde auf seinem Rücken ausgetragen werden.
    »Ich war nicht wegen der Einstellung dort«, sagte Harriet-Rose. Sie sah dabei zu ihrer Kollegin hinüber und bettelte mit ihren großen Augen um Verzeihung.
    »Ach, privat? Bei meinem Alten? Sieh an. Woher kennen Sie ihn?«
    »Ich habe ihn an diesem Tage zum erstenmal gesehen … zwei Minuten.«
    »Verzeihen Sie, das verstehe ich nicht.«
    »Meine Mutter hat mich Ihrem Vater vorgestellt. Es ging sehr schnell.«
    »Ach so. Wie heißen Sie denn?«
    »Harriet-Rose Achenberg.«
    »Harriet-Rose. Ein schöner Name.«
    »Finden Sie?«
    »Er paßt zu Ihnen.«
    »Wieso?«
    »Harriet … das klingt nach der Weite der Baumwollfelder in den Südstaaten. Und Rose … wirklich, Sie sind wie eine herrliche, seltene braune Rose.«
    Sie senkte den Kopf, griff zum Fließband, nahm eine neue, heranschwebende Gardine und schob den Saum unter den Nähmaschinenfuß. Bert Schumacher rieb die Finger unsicher an seiner Hose.
    »Habe … habe ich etwas Falsches gesagt?« sagte er leise. Er erinnerte sich, daß Farbige nie gern von ihrer Dunkelhäutigkeit hören. »Es … es sollte ein Kompliment sein«, stotterte Bert Schumacher. »Es war dumm, ich sehe es ein. Bitte, verzeihen Sie.«
    »Ich muß nähen.« Sie zog den Saum durch, schnitt den Faden ab und nähte die andere Kante. »Der Meister sieht schon herüber.«
    Bert Schumacher zögerte. Dann stieß er sich von der Führungswanne des Fließbandes ab und ging langsam durch die Halle auf den Glaskasten zu. Der Meister verzog sich hinter seinen Schreibtisch und kümmerte sich intensiv um die Stundenzettel der vergangenen Schicht.
    An der Tür blieb Bert Schumacher stehen und sah zurück. Der schwarze Kopf Harriet-Roses war tief über die Maschine gebeugt. Ihre Nachbarinnen flüsterten ihr zu, neugierig, ausfragend. Aber sie gab keine Antwort … sie nähte die Säume, griff zum Fließband, ein neuer Stoff, ein neuer Saum … Fließband … Saum … Fließband … Saum … Acht Stunden lang.
    Bert Schumacher erledigte seinen Auftrag, der Anlaß gewesen war, in die Näherei zu kommen. Fast hätte er ihn vergessen. Dann ging er durch den Saal zurück zum Ausgang und blieb wieder vor Harriet-Rose stehen. Die fünfzig Mädchen schielten über die Gardinenberge zu ihnen hinüber.
    »Ich möchte nicht, daß Sie mich für einen dummen Jungen halten«, sagte er leise und trat auf die Fußtaste. Der elektrische Antrieb blieb stehen. »Meine Bemerkung vorhin … zu blöd. Ich möchte Sie bitten, das wiedergutmachen zu dürfen.«
    Harriet-Rose schüttelte den Kopf. »Ich gehe nicht aus«, sagte sie schroff.
    »Eine Stunde im Burgcafé.«
    »Nein.«
    »Ich werde an der Neckarbrücke warten. Samstag, um drei Uhr nachmittags.«
    »Es ist sinnlos.« Sie hob den Kopf. Ihre schwarzen Augen sprühten, als jage ein Feuerwerk aus ihnen. »Sie können doch nicht als weißer Mann mit einem Mädchen, wie ich es bin, über die Straße gehen.«
    »Ich will Ihnen beweisen, daß dies ein dummes Vorurteil ist. Schon deshalb müssen Sie kommen. Wir sind eine andere Generation.«
    »Es wird sich nie ändern.« Alle Bitterkeit lag in diesem Satz. Bert Schumacher spürte ihn wie einen körperlichen Schmerz.
    »Sie haben viel zu leiden, nicht wahr?«
    »Leiden? Nein. Ich verstehe es einfach nicht. Man sagt immer: Alles, was lebt, ist Gottes Schöpfung. Aber diese Weisheit lehren die Weißen, und sie meinen sich damit. Warum muß das so sein?«
    »Das will ich Ihnen am Samstag im Burgcafé erklären. Bitte kommen Sie, Harriet-Rose.«
    Bert Schumacher streckte ostentativ seine Hand aus. Zögernd legte Harriet ihre kleinen, braunen Finger hinein. Im

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