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Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kompakte Masse vor ihm. Feindlich, mit verächtlichen Augen, mit der Gier im Blick, etwas Tierisches zu tun.
    »Ich … ich habe Angst …«, stammelte Harriet. »Sie werden uns etwas antun –«
    Bert Schumacher ging weiter. Die Mauer wuchs vor ihm auf. Augen, Gesichter, Münder, Hälse, Haare … Mitten hinein ging er, ohne den Schritt zu verlangsamen. Und die Mauer wich zurück … sie teilte sich, ließ einen Weg frei und brandete hinter ihm wieder zusammen … murmelnd, rumorend, wie ein Meer, das mit der Flut zurückkehrt.
    Schnell überquerten sie den Neckar und stiegen zur Burg hinauf.
    Auf der Brücke hing noch immer die dichte Menschentraube. Der aufgeregte Mann erzählte sein ungeheures Abenteuer.
    »So etwas gehört weg!« schrie er. »Was nehmen sich diese Schwarzen heraus? Und denen sollen wir auch noch Entwicklungshilfe zahlen? Über die Brücke mit denen! Aber das ist ja alles Mist bei der schlappen Regierung, die wir haben.«
    *
    Erika Schumacher saß steif und unnahbar in einem Rokokosessel, als Bert Schumacher gegen Abend in ihr Damenzimmer kam. Durch das Hausmädchen hatte sie ihm sagen lassen, daß die gnädige Frau ihn dringend noch vor dem Abendessen zu sprechen wünsche.
    »Was ist, Mama?« fragte Bert und küßte seine Mutter vorsichtig auf die kunstvoll drapierten, kastanienbraun gefärbten Haare. »Du siehst aus, als habest du Papa mit einer schicken Puppe erwischt.«
    Erika Schumacher sah ihren Sohn ernst an.
    »Laß diese faden Witze, Bert. Ein Student der Medizin sollte sich eine andere Sprache angewöhnen.« Sie schüttelte den Kopf. »Mieze zu sagen.«
    »Irrtum, Mama. Ich sagte: Puppe. Mieze stammt von dir.«
    »Man hat dich gesehen«, sagte Erika Schumacher. Es klang wie: Wen haben Sie umgebracht? Hart, mitleidlos, selbstsicher.
    »So? Wer denn, Mama?«
    »Die ganze Familie Pachtner.«
    »Und wo?«
    »Im Burghof. Du hattest ein Mädchen bei dir.«
    »Das soll bei einem Mann von zwanzig Jahren ab und zu mal vorkommen. Um es dir medizinisch zu erklären, Mama: Wenn der Hormonspiegel eines Menschen –«
    »Laß diese Dummheiten, Bert! Es ist eine ernste Angelegenheit.« Erika Schumacher saß starr wie ein Inquisitor. »Ich halte dich für ausgesprochen geschmacklos.«
    »Wegen der Hormone?«
    »Das Mädchen war eine Negerin«, sagte Erika Schumacher. Es klang, als spucke sie das letzte Wort aus, umhüllt mit ausgehustetem Schleim. Bert Schumacher stand langsam auf. Seine jungenhaftfröhliche Miene war versteinert.
    »Sie ist die Tochter einer deutschen Frau.«
    »Noch schlimmer.« Erika Schumacher schlug mit einer großen theatralischen Gebärde die Hände zusammen.
    »Die Tochter einer amerikanischen Soldatendirne – und mein Sohn! Sag einmal … schämst du dich nicht in Grund und Boden?«
    »Ich beginne, mich meiner Mutter zu schämen.«
    »Bert!«
    Erika Schumacher fuhr aus dem Rokokosessel hoch und legte mit großem Schwung die Hand auf ihr Herz. Aber diese einstudierte Geste paßte nicht mehr zu dem ehrlichen Entsetzen in ihren Augen. Während sie wirklich nach Atem rang, führte ihr Arm nur die hundertmal praktizierte Bewegung aus.
    »Dieses Mädchen hat dich verhext.«
    »Bitte, Mama, laß diese albernen Gartenlauben-Definitionen. Harriet-Rose ist ein liebes Mädchen. Ein kleines, armes, gehetztes Mädchen, das nachts in ihrem Bett sitzt und glücklich ist, daß die Nacht dunkel ist wie ihre Haut und in dieser Dunkelheit nun alle Menschen gleich sind.«
    »Du bist in sie verliebt«, sagte Erika Schumacher steif. »Gesteh es … du bist in sie verliebt.«
    »Wenn du mich so direkt fragst … ich habe noch nicht darüber nachgedacht … aber mir scheint, du hast recht. Ich liebe Harriet.«
    »Unmöglich!«
    »Das werden vielleicht auch viele Menschen zu Vater sagen, wenn sie dich kennenlernen.«
    Erika Schumacher nahm dies hin, ohne sich zu wehren. Das Bewußtsein, daß ihr großer, vergötterter Sohn, der einzige Beweis ihrer Leidenschaft und einer fraulichen Tat, ein Negermädchen liebte, war so ungeheuerlich, daß sie wie von den Zehen bis zu den Haarspitzen gelähmt, vor ihrem weißgoldenen Rokokosessel stand und sich wunderte, daß sie überhaupt noch atmen konnte und das Herz noch immer schlug.
    »Weiß es Papa?« fragte sie mühsam.
    »Noch nicht. Aber da du es weißt, ist eigentlich die größte Gefahr bereits überwunden.«
    »Weißt du, was Pachtners gesagt haben?«
    »Es wird das dumme Erstauntsein von Moralpaketen sein.«
    »Sie sagten: Was sich Bert da geleistet hat

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