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Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kindisch für dein Alter, mein Junge.«
    »Ob wir im 18. Jahrhundert leben oder im 20. – die Liebe ist die gleiche. Man sollte meinen, daß sie jetzt unkomplizierter geworden ist –!« schrie Bert.
    »Sollte man, mein Sohn. Aber es ist nicht so.« Schumacher hob beide Arme und ließ sie resignierend an den Körper zurückfallen.
    »Ich sehe, daß dich Argumente nicht überzeugen. Nie hat man den Eltern geglaubt, weil man sie als rückständig und verkalkt ansieht. Zu allen Zeiten war's so … auch bei uns und deinen Großeltern. Bitte! Mach, was du willst und für richtig hältst. Du mußt am eigenen Leibe spüren, was es heißt, gegen Vorurteile anzurennen. Entweder zerbrichst du an der Mauer, die sich dir entgegenstellt, oder du gibst auf. Einreißen wirst du sie nie können … die Gemeinschaft von Dummheit ist zu mächtig, als daß ein einzelner sie aufsprengen kann. Du wirst es sehen … und nun mach, was du willst.«
    Er stützte sich auf die breite Blumenbank, die im Fenster eingelassen war, und starrte auf den Möbelhof. Bert wartete ein paar Augenblicke. Er versuchte noch etwas zu sagen, zu erklären, aber dann sah er ein, daß es sinnlos war, über Dinge zu diskutieren, die aus zwei völlig verschiedenen Richtungen betrachtet wurden. Er verließ das Büro und fuhr mit einer Taxe nach Hause. Wohltuend empfand er, daß seine Mutter beim Friseur war und bis zum Abend nicht zurückkam. Er packte seine schmutzige Wäsche aus, suchte aus dem großen Wäscheschrank neue heraus, legte zwei Anzüge, Oberhemden, Krawatten, Strümpfe und Schuhe dazu und füllte damit zwei große Koffer, die er aus der Kofferkammer der Schumacher-Villa hervorsuchte. Zwei Stunden später verließ er das Haus. Für immer, wie er sich vornahm. Er hinterließ keine Zeile, keinen Abschied, keine Mitteilung. Seine ganze Verachtung gegenüber der sogenannten ›bürgerlichen Moral‹ legte er in diesen stillen Auszug.
    *
    Tagelang hatte Harriet-Rose auf den Briefträger gewartet. Er kam zwischen neun und halb zehn Uhr morgens. Um diese Zeit stand Harriet am Fenster und wartete, bis er über die Straße kam und das Haus betrat. Dann riß sie die Tür auf und lief ihm entgegen. Aber meistens brachte er Drucksachen, Angebote von Schneiderbedarfsartikelfirmen, Lotterielose, Möbelkataloge. Ab und zu auch Rechnungen. Aber keinen Brief aus Alabama, kein Telegramm, auch nicht den Brief Harriets mit dem Vermerk: ›Adressat nicht auffindbar‹. Es war, als sei das Schreiben in der Weite Amerikas weggeflattert, irgendwohin wie ein welkes Blatt, das später von einem Besen zusammengekehrt und in einem Müllwagen weggeschafft wird.
    Einen Harry Bob Shirer schien es nicht mehr zu geben. Vielleicht war er schon längst gestorben.
    Nach einer Woche wartete Harriet-Rose nicht mehr am Fenster auf den Briefträger. Sie fragte auch nicht mehr, wenn er an der Tür schellte: »Etwas aus Amerika?« Sie schaute ihm nur in die Augen, und der Briefträger schüttelte den Kopf und gab die andere Post ab.
    *
    Es war schon spät am Abend, als es an der Tür klingelte. Marianne ging öffnen; Harriet lag in der Badewanne und sang. Sie hatte eine schöne, warme Stimme, als seien ihre Stimmbänder mit dunklem Samt überzogen.
    Im Treppenhaus lehnte Bert Schumacher am Geländer. Er trat schnell vor und klemmte die Schuhspitze in die Tür, als Marianne sie wortlos zuwerfen wollte.
    »Koeberle, nur ein Wort!« rief er.
    »Nehmen Sie den Fuß weg, oder ich trete darauf mit aller Wucht!« sagte Marianne leise. Sie lauschte nach hinten. Harriet sang noch in der Wanne. Sie hatte nichts von einem Klingeln gehört.
    »Ich muß Sie sprechen! Bitte! Ich habe mich von meinen Eltern getrennt … ich wohne möbliert … Ich habe Arbeit angenommen und verdiene mir mein Studium selbst. Ich bin nicht mehr der Fabrikantensohn Schumacher … ich bin ein ganz armer Student mit einer Bude unterm Dach. Wenn es ginge, würde ich auch meinen Namen ablegen.«
    »Bitte, gehen Sie!« sagte Marianne heiser. »Ich flehe Sie an … lassen Sie uns unseren Frieden.«
    »Ich liebe Harriet!«
    »Aber sie nicht Sie.«
    »Das ist eine Lüge. Ich weiß …«
    »Nichts wissen Sie!« Marianne trat mit aller Wucht auf die Fußspitze Berts. Sie nahm dazu ihren spitzen Absatz. Wie ein Meißel bohrte er sich in das Schuhleder. Bert Schumacher verzog schmerzhaft das Gesicht, aber er ließ den Fuß in der Tür. »Gehen Sie, bevor Harriet merkt, daß Sie hier sind.«
    »Geben Sie mir Gelegenheit, mit Ihnen zu

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