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Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weltverändernd, daß sie sich gegenüberstanden.
    Shirer, seitlich an der Mauer stehend, hielt den Atem an. Er konnte Marianne ebensowenig sehen wie sie ihn … er hörte nur ihren Atem und roch einen Hauch von Parfüm, der in das Treppenhaus wehte.
    »Du?« sagte Marianne gedehnt. »Das ist doch nicht wahr. Und in feierlichem Schwarz? Willst du um meine Hand anhalten?« Sie lachte gequält und trat zurück in die kleine Diele. »Bitte, komm 'rein. Harriet ist auch da. Du wirst sie nicht wiedererkennen … damals war sie ja kaum neun Monate alt.«
    Harry Bob Shirer spürte im Herzen einen heißen Stich, als er den Namen Harriet hörte. Er hatte große Lust, zu brüllen, aber Koeberle nahm ihm eine Handlung ab.
    »Ich bin gekommen –«, stotterte Koeberle, »wie soll ich sagen: Nicht freiwillig. Ich bin in einem Auftrag hier. Ich bin in Begleitung. Ich …« Er atmete hörbar durch und sah sich hilflos um. Aber der Flur hinter ihm war leer, Shirer stand noch draußen an der Mauer. »Ich bin also Stadtrat geworden …«
    »Gratuliere. Daher der dunkle Anzug. Aber wieso Auftrag?«
    Marianne ging zur Tür und wollte sie schließen. In diesem Augenblick sah sie Shirer. Er war vorgetreten und hielt seine Päckchen und einen Blumenstrauß vor sich hin wie ein Junge, der ein einstudiertes Geburtstagsgedicht aufsagen soll und nun den Text vergessen hat.
    »Darlin–g –«, würgte er nur heraus.
    Marianne spürte, wie ihre Beine nachließen. Sie suchte Halt und umklammerte die Schulter Koeberles. Sie hing an ihm und hatte den Mund zu einem stummen Aufschrei geöffnet. Shirers Hand mit den Geschenken zitterte so stark, daß die Päckchen aneinanderstießen.
    »I am come …«, stammelte er. »Uo ist Harriet? Uo ist my baby?«
    Marianne schloß die Augen, riß sie wieder auf, starrte Shirer an und schloß sie dann wieder. Sie legte den Kopf an Koeberles Schulter und begann ohne Übergang zu weinen.
    »Wo … wo … hast du den her?« schluchzte sie. »Wie hast du ihn gefunden?«
    Stadtrat Koeberle stand steif und unangenehm berührt in der Diele. Einmal vor fünfzehn Jahren hatte er diese Frau geliebt. Er gab es zu … er war fasziniert von ihrer Schönheit und ihrer Intelligenz. Aber der Gedanke, daß vor ihm eine schwarze Hand diesen weißen Körper berührt hatte, war dennoch stärker gewesen und hatte diese Liebe abgewürgt.
    Nun standen sie sich gegenüber. Der Neger, der Marianne vor ihm genommen hatte, als Staatsbesuch! Der Ehemann, der vor der Vergangenheit seiner Frau geflüchtet war. Die Frau, deren Leben in einer einzigen Minute zerbrach.
    Eduard Koeberle hob mit der Hand den Kopf Mariannes hoch.
    »Mr. Shirer ist ein Delegierter der USA, der gegenwärtig eine Gaststättenmesse in Würzburg besucht. Bis vorhin, als ich unten dein Namensschild las, wußte ich nicht … ich versichere … ich wußte nicht …« Er stockte und blickte wieder Shirer an. Harry Bob sah Koeberle ratlos und verständnislos an. Er erkannte die Zusammenhänge noch nicht, er wunderte sich nur, daß sich in Deutschland fremde Menschen gleich duzen … »So sagen Sie doch etwas, Sir!« rief Koeberle verzweifelt, seine Aufgabe als diplomatischer Betreuer vergessend. Shirer trat langsam auf Marianne zu.
    »Anne …«, sagte er heiser. »Es hat lange gedauert. Ich … ich mich schämen … Ich …« Shirer nahm den Blumenstrauß und hieb ihn gegen die Wand. Die Blüten spritzten in der Diele herum und rieselten in das Haar Mariannes. In das noch immer goldblonde Haar, von dem Shirer jahrelang noch in Alabama geträumt hatte. »Damned!« schrie er. »Uo ist Harriet, my sweety girl?!«
    Hinter der Wohnzimmertür hörte man einen hellen Aufschrei. Marianne zuckte zusammen, und auch Shirer ließ die abgeschlagenen Blumenstengel fallen. Koeberle fühlte sich unglücklich. Er hatte plötzlich Angst. Daß Shirer noch nicht wußte, welche intime Rolle sein Begleiter hier spielte, sah er. Aber ebenso klar erkannte er, daß er den Fäusten dieses Riesen ausgeliefert sein würde, wenn Shirer erfuhr, was vor vierzehn Jahren geschehen war.
    Die Tür wurde aufgerissen. Harriet-Rose stand vor Shirer. Das Licht, das von hinten vom Wohnzimmerfenster auf sie fiel, umgab ihre Gestalt wie mit einem Strahlenbündel. Sie starrte den Riesen vor sich an, und sie wußte, daß es ihr Vater sein mußte. In Gedanken hatte sie ihn immer so vor sich gesehen. Mächtig, mit breiter Brust, mit einem runden, gutmütigen, schwarzen Gesicht, mit blitzenden Augen und weißen Zähnen

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