Die braune Rose
Stunden …«
»Gut. So long –«
In schneller Fahrt brauste der schwarze Wagen durch Würzburg hinaus und auf die Bundesstraße, Richtung Heidelberg.
In die Polster gedrückt saß Harry Bob Shirer und betrachtete glücklich wie ein Kind ein goldenes Kettchen, das er vorhin gekauft hatte. Eine Madonna hing daran, umrahmt von Sternen aus Gold. Mit einem glücklichen, breiten Lächeln hielt er Koeberle das Kettchen vor die Augen.
»Schön, nicht uahr …«, sagte er.
Koeberle nickte. »Ja, sehr schön, Sir …«
Er blickte zur Seite auf die vorbeijagenden Bäume. Einen Geschmack haben die Amerikaner, dachte er. Wie Kühe. Wenn man damit einer deutschen Frau käme, wäre sie beleidigt. Es ist eben alles eine Frage der kulturellen Entwicklung.
*
Der häusliche Frieden bei Arnold Schumacher war gestört. Erika Schumacher spürte es besonders daran, daß ihr Mann wortkarg wurde und sich nicht mehr über Dinge aufregte, die sonst Anlaß zu langen, ehelichen Auseinandersetzungen wurden. Er war in sich gekehrt, fast bedrückt, und reagierte auf keine massiven Vorstellungen seiner Frau. Selbst als Erika Schumacher zu einem stets wirksamen theatralischen Auftritt flüchtete und einen Nervenzusammenbruch spielte, ließ Schumacher lediglich einen Arzt rufen und ging selbst, als sei er unbeteiligt, weg.
Ihm fehlte Marianne Koeberle, seine ›Koeberle‹, und sein Sohn Bert. Zweimal hatte er ihn in England besucht, einmal in Begleitung Heidi Pachtners. An diese Reise dachte er mit Grausen, denn es hatte auf der belebten Oxford Street in Höhe von Marble Arch am Hyde Park fast ein Drama gegeben. Sie waren spazierengegangen, und Heidi hatte sich wie ein Mannequin vor Bert gedreht und gefragt: »Gefällt dir mein neues Kostüm?« Und als er mürrisch nickte, hatte sie hinzugefügt: »Ein kleines, schwarzes Biest hat es mir genäht.«
Bert Schumacher hatte in diesem Augenblick vergessen, daß England das Land der Gentlemen ist. Er hatte sich vor Heidi hingestellt, bleich und am ganzen Körper bebend, und hatte geschrien: »Noch ein Wort und ich reiße dir das Kostüm vom Leib!«
Heidi war klug genug gewesen, an den folgenden Tagen kein Wort mehr darüber zu sagen. Sie sah ihre ungeheure Dummheit ein und weinte bei Schumacher bittere Tränen. Als sie wieder nach Deutschland zurückflogen, war Bert nicht am Flugplatz. Das schmerzte Arnold Schumacher mehr als alles andere. Er hing an seinem einzigen Sohn mit aller väterlichen Liebe, die man nicht zeigen kann, sondern die man in sich hineinfrißt.
Plötzlich, an einem Nachmittag, öffnete sich ohne Klopfen und Anmeldung durch Marianne Koeberles Nachfolgerin die Tür zu seinem Chefbüro, und Bert kam herein. Schumacher ließ seine Brille fallen, die er gerade putzte, und starrte seinen Sohn entgeistert an.
»Du?« rief er. »Junge, wo kommst du denn her?«
»Aus London, Papa.« Bert stellte seine Flugtasche auf die Erde und sah seinen Vater aus entschlossenen Augen an. »Ich habe mir genug Geld verdient, um die Flugkarte zu bezahlen. Ob es drüben wegen meines abrupten Abreisens einen Skandal gibt, ist mir völlig gleichgültig. Ich bin hier und bleibe hier! Und ich werde notfalls meine Position mit Gewalt verteidigen … auch gegen dich.«
»Was heißt das?« fragte Schumacher.
»Ich studiere weiter. In Heidelberg.«
»Und wirst diese Harriet-Rose sehen –«
»Es wird mich keiner mehr daran hindern.«
»Der Ruf unserer Firma –«
»Er geht mich einen Dreck an!« schrie Bert Schumacher. »Ich habe mich um mein Leben zu kümmern, denn ich werde es noch fünfzig Jahre leben müssen! Ich bin alt genug, um zu wissen –«
»Ein Rotzjunge bist du!« sagte Arnold Schumacher. Aber es klang nicht wütend, es klang eher traurig und hilflos. »Was willst du denn mit dem braunen Mädchen?«
»Heiraten.«
»Verrückt.«
»Nur weil sie braun ist?«
»Nur!« Schumacher erhob sich seufzend und sah aus dem Fenster hinaus auf den Möbelhof. Große Lastwagen mit der Aufschrift ›Schumacher u. Co. Möbelfabriken‹ luden auf und donnerten auf die Straße. »Deine Mutter wird der Schlag treffen.«
Bert schwieg und sah zu Boden. »Ich liebe Harriet, Vater. Ich kann nichts dafür. In England habe ich es erst richtig erkannt. Ich kann sie nicht vergessen. Es ist unmöglich. Solange ich lebe –«
»Du lieber Himmel! Wie in der ›Gartenlaube‹! Der liebeskranke Student, der sich vor Kummer erschießt. Und Aschenputtel folgt ihm … sie springt in den Neckar. Du bist reichlich
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