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Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auch er sich durchgerungen, auf seine Tochter zu verzichten, nicht als Vater, sondern als eine Art Waffe gegen das eigene Gefühl, ein Mensch zweiter Klasse zu sein. Er hatte sich in diesen Nächten geschworen, für Harriet zu sorgen, als sei sie in Alabama. Aber es waren eben nur Dollars, die er schicken konnte. Das, was Harriet suchte, konnte ihr niemand geben: Eine weiße Haut und damit die Achtung ihrer Umwelt. Auch mit Geld war sie nicht zu erkaufen. Geld schuf nur die Heuchelei, die vorgegaukelte Illusion, man sei gleichwertig. Aus der dunklen Haut wurde eine goldene Haut, weiter nichts.
    »Dieses Weiß!« schrie Shirer in die Kissen. »Dieses verdammte, hochnäsige Weiß! O Gott, Gott, warum hast du das getan? Warum hast du nicht alle Menschen gleichgemacht?«
    *
    In Heidelberg verbrachte Bert Schumacher jede freie Minute bei Marianne und Harriet. Die Leute in der Fortbachstraße gewöhnten sich daran. Es war auch durchgesickert, daß der schwarze Riese, der mit einem Minister aus Bonn gekommen war – so wurde Eduard Koeberle im Volksmund bereits befördert –, der Vater von Harriet gewesen sei. Auch ein Minister, aus irgendeinem unbekannten Land. Es gab ja jetzt so viele selbständige Negerstaaten, man konnte sie alle gar nicht behalten. Auf jeden Fall war er ein Minister. Und zwanzig Millionen Mark sollte er in Bonn bekommen haben. Zwanzig Millionen! Einige Frauen grüßten jetzt Harriet-Rose zuerst. Sie wunderte sich darüber und machte, wenn man sie ansprach, einen Knicks. Wie süß die Kleine ist, hieß es jetzt. Wie bescheiden. Wo der Vater doch Minister ist und von Bonn zwanzig Millionen bekommt. Zu einem Dammbau, wußte man ganz sicher. Ein Staudamm, den er Harriet-Damm nennen wollte.
    Die Gerüchte wuchsen zu einem Gebirge von Wissen und Vermutungen. Aber auch gehässige Menschen gab es ohne Zahl. Sie schrieben Briefe. Anonym, wie es sich gehört. Unterschrieben mit: Ein bewußter Weißer. Oder: Einer, der auf seine Rasse noch etwas hält. Oder: Ein Empörter.
    Dramatisch wurde es, als eines Morgens an der Hauswand von Fortbachstraße 11 in greller roter Schrift stand: ›Negerpuff‹. Wer es geschrieben hatte, wußte keiner. Man hatte niemand gesehen. Es mußte gegen Morgen geschehen sein. Als der Hauswirt die Aufschrift entdeckte, war sie noch feucht, aber nicht mehr so naß, daß sie sich zur Unleserlichkeit verschmieren ließ.
    »Das ist unerhört«, sagte der Hauswirt zu Marianne. »Das geht nicht so weiter. Ich rate Ihnen, sich eine andere Wohnung zu suchen. Mein Haus war immer ein gutes Haus und …«
    Marianne schlug vor ihm die Tür zu. Zornbebend ging der Hauswirt nach unten in seine Wohnung und rief seinen Anwalt an. »Was kann man tun?« fragte er erregt. »Reicht das für eine Räumungsklage?«
    Harriet-Rose wagte sich einige Tage nicht aus der Wohnung. Nur Bert Schumacher nahm den Kampf auf, mit einer Verbissenheit, die geradezu rührend wirkte.
    Er stand mit einem Eimer voller Lösungsmittel auf der Straße und schrubbte mit einer Wurzelbürste das grellrote Wort ›Negerpuff‹ von der Hauswand. Um ihn herum standen die Straßenkinder und lachten. In den Fenstern lagen die Nachbarn, stumm, hämisch, fast geil die Situation genießend.
    Bert Schumacher traf im Hausflur den Wirt, als er wieder nach oben gehen wollte.
    »Ihr Haus ist wieder sauber«, sagte er.
    »Das ist nur äußerlich.« Der Wirt stieß den Kopf vor wie eine angreifende Schlange. »Ich sage Ihnen, reden Sie denen ins Gewissen. Sie sollen freiwillig ausziehen. Solange sie allein wohnten, war's ja gut. Aber nachdem der Neger da war … stimmt das, das war der Vater?«
    »Ja.«
    »Also doch! Mensch, das ist doch ein Skandal. Das ist schamlos. Als Christenmensch –«
    »Auch Mr. Shirer ist Christ. Ein guter Christ sogar.«
    Der Hauswirt winkte ab. »Bin ich ein Missionar, um das beurteilen zu können? Ist mein Haus eine Missionsstation? So geht es jedenfalls nicht weiter. Sagen Sie denen, daß sie freiwillig wegziehen.«
    Bert Schumacher bestellte es nicht. Er blieb die nächsten Tage bei Marianne und schlief auf dem Sofa. Am dritten Tage rief Arnold Schumacher an.
    »Du schrubbst Häuserwände ab?« schrie er, bevor Bert etwas sagen konnte. »Du wohnst sogar schon dort? Bist du völlig blöd geworden?«
    »Vater –«
    »Deine Mutter liegt mit einem Nervenzusammenbruch im Bett! Zehn Briefe kamen schon in die Firma: Bestellen hiermit einen Posten Negerbetten. Wenn du nicht sofort …«
    Bert legte auf. Aber es war nur

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