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Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sagte sie bestimmt. »Dreißig Mark am Tag. Jeden Tag. Ich werde dein Studium bezahlen können, Bert … du brauchst keine Nachhilfestunden mehr zu geben.«
    »Das ist doch alles nicht so wichtig. Es wird wieder einen Skandal geben. Man wird dafür sorgen …«
    Es war Bert unmöglich, Harriet und Marianne Koeberle an diesem Abend zu erklären, daß es besser sei, vorerst in der Stille zu leben. Sie würden es auch nie begriffen haben, aus einem Trotz heraus, der von ihnen aus gesehen berechtigt war, aber ihnen wenig nützte in der gegenwärtigen Situation.
    In den nächsten Tagen lernten sie weitere Variationen kennen.
    Zunächst erschien eine Dame von der Jugendfürsorge bei ihnen. Auch sie hatte eine Anzeige erhalten. Man möge doch einmal nachprüfen, ob es mit der Moral zu vereinbaren sei, daß ein sechzehnjähriges Mädchen mit einem Studenten zusammenwohnt mit Billigung der Mutter. Der Paragraph der Kuppelei war in dieser Anzeige bereits deutlich angedeutet.
    Marianne Koeberle schlug diesen neuen Angriff ab. Sie zeigte das Haus, das Zimmer Bert Schumachers, das gesondert lag, und fragte höflich, seit wann es verboten sei, ein möbliertes Zimmer an einen Studenten zu vermieten.
    Die Dame von der Fürsorge ging gekränkt davon.
    Weniger ruhig ging es bei der Anatomie in der Universität ab. Nach langem Warten hatte man von der Psychiatrie eine Leiche bekommen. Einen alten Mann ohne Angehörige, der an progressiver Paralyse gestorben war. Die Freude unter den Studenten war groß, ebenso wie die Freude des Anatomieprofessors, denn es war interessanter und lehrreicher, an einer frischen Leiche zu präparieren, als uralte Körperteile aus den Formalinkübeln zu fischen und an hundertfach zerschnippelten Armen oder Beinen Sehnen, Arterien oder Muskeln zu bestimmen.
    Auch Bert Schumacher stand im Sezierkeller an dem langen Marmortisch. Der Anatomiediener hatte alles vorbereitet, die Leiche des Paralytikers lag, noch zugedeckt, auf dem Tisch, umringt von den Studenten, die wie bei einer Bratenverteilung auf das Stückchen warteten, das ihnen der Ordinarius in wenigen Minuten zuteilen würde.
    Wolfgang Ehrwald, Sohn eines Chemieprofessors, sah zu Bert Schumacher. Das Thema Weib im Sezierkeller war immer beliebt.
    »Sag mal«, meinte er und wedelte mit dem Zeigefinger, »du hast doch eine kleine braune Freundin, höre ich. So 'n rassiges Mischlingskind. Junge, man hört Wunderdinge von dir.«
    Berts Gesicht wurde eisern. »Kümmert euch um euch selbst«, sagte er grob.
    »Es sitzt der Pfeil in seiner Brust, entfachet heiße Liebeslust, oho!« sang der dicke Müller. »Sag mal, stimmt das, was man sich in Fachkreisen erzählt: bei den schwarzen Weibern …«
    Bert Schumacher wandte sich ab und verließ den Anatomiekeller. Ein helles Gejohle verfolgte ihn bis hinauf zur Treppe.
    »Wie zartbesaitet er ist!« rief der dicke Müller. »Der tut fast so, als sei's was Ernstes. Jungs … in Erlangen hatte ich eine Kommilitonin, eine Japanerin, die hatte eine Haut, weiß wie Heilbuttfleisch.«
    Im oberen Flur traf Bert auf Professor Wichting. Dieser hatte sich verspätet und kam mit großen Schritten heran.
    »Nanu? Nicht unten, Herr Schumacher?« rief er.
    »Nein, Herr Professor. Ich bitte mich zu entschuldigen. Mir ist nicht wohl.«
    »Das ist aber bei Ihnen das erste Mal in der Anatomie. Was haben Sie, sind Sie krank? Sie sehen bleich aus.«
    »Es wird eine Erkältung sein, Herr Professor.«
    Professor Wichting nickte und ging weiter.
    *
    Der Herbst kam mit Regen und kalten Winden. Die Bäume wurden über Nacht kahl, die Wiesen in den Neckarauen trugen am Morgen Rauhreif.
    Das Leben schien sich normalisiert zu haben. Harriet-Rose führte im Kaufhaus Globus Kleider vor. Die Kritiken in den Zeitungen waren voll Lobes. Der erwartete Störversuch blieb aus, es schien, als habe man sich damit abgefunden, daß ein braunes Mischlingsmädchen in die bürgerlich-muffige Atmosphäre eingedrungen war. Marianne Koeberle hatte ihre Arbeit bei den Rechtsanwälten längst wieder aufgenommen. Zusammen verdienten Marianne und Harriet soviel Geld, daß sie planten, im nächsten Frühjahr sich einen kleinen Wagen zu kaufen. Bert stand im Physikum und büffelte die Nächte hindurch an seinem schwachen Gebiet, der chemischen Physiologie. Auch von Arnold Schumacher hatte man nichts mehr gehört. Heimlich war Erika, Berts Mutter, mit ihrem Wagen hinausgefahren und hatte durch ein Fernglas das kleine Haus am Neckar beobachtet. Sie hatte Bert im

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