Die Braut aus den Highlands
Wenn ich sehe, was aus Brodie und Gawain geworden ist, nehme ich an, dass sie recht daran tat, ihn fortzugeben.â
Alex nickte. âIst er älter als ich?â
Merry dachte kurz nach. â Aye â, erwiderte sie schlieÃlich. âZwei Jahre, glaube ich. Brodie kam zwei Jahre nach ihm, und Gawain folgte wiederum zwei Jahre nach Brodie. Danach wurde ich geboren.â
âBrodie und ich, wir waren beide fünf, als Ihr zur Welt kamt und unsere Väter den Ehevertrag schlossenâ, erzählte Alex. âHat sich Kade nicht schon vor mir den Kreuzrittern angeschlossen?â
â Aye . Vor sechs Jahren, kurz bevor Mutter starbâ, entgegnete Merry widerstrebend.
Das Schweigen, das folgte, war voller unausgesprochener Worte, doch Merry ermunterte ihn nicht dazu, sie zu sagen. Sechs Jahre war es nun her, dass Kade in die Ferne gezogen war, um im nie enden wollenden Krieg gegen die Heiden zu kämpfen. Noch schwerer wog jedoch, dass sie das letzte Mal vor fünf Jahren von ihm Nachricht erhalten hatte. Sie fürchtete, er könne tot sein, doch ehe nicht einer seiner Gefährten ihr dies persönlich mitteilte, würde sie an dem Glauben festhalten, dass er am Leben war. Sie konnte nicht anders. Er war ihr von den Brüdern der liebste. Gemeinsam mit ihrer Mutter hatte sie mindestens einmal im Jahr den langen Weg zu Onkel Simon auf sich genommen, und Kade war jedes Jahr für eine Woche nach Hause gekommen. Während dieser Besuche war er immer freundlich und hilfsbereit gewesen, und sie hatten einander oft Botschaften geschickt.
Ihr Vater, Brodie und Gawain waren ihr aufgrund ihres Lasters, der Trunksucht, stets liederlich und töricht vorgekommen, und ihre Mutter war zwar liebreizend und klug gewesen, aber durch die Krankheit geschwächt. Somit war Kade immer der Leitstern der Familie gewesen â stark, gescheit und nüchtern. Merry hatte zu ihm aufgesehen und ihn bewundert, und als ihre Mutter starb, hatte sie von ganzem Herzen gewünscht und gebetet, er möge nach Hause kommen und die Bürde auf sich nehmen, die es bedeutete, zugleich Vater und Brüder zu hüten und Stewart zu führen. Doch ihre Gebete waren nicht erhört worden, und tief in ihr saà die Furcht, der Grund dafür könne sein, dass ihr Bruder gar nicht mehr am Leben war.
âEr kann immer noch zurückkehren.â
Alexâ Stimme war sanft. Merry blickte auf und spürte erst jetzt, dass ihr Tränen im Gesicht standen. Peinlich berührt von diesem Zeichen der Schwäche hob sie die Hand, um sie fortzuwischen, doch Alex kam ihr zuvor, strich ihre Hand beiseite und trocknete ihr die Augen. Danach hob er ihr Kinn und küsste sie.
Einen Moment lang gab sich Merry regungslos der zarten Berührung seiner Lippen hin, schlug jedoch die Augen wieder auf, als er den Kopf hob. Ehe sie noch einen Blick auf seine Miene erhaschen konnte, zog er ihr Haupt an seine Brust und flüsterte: âSchlaft. Ihr seid müde.â
Doch kaum hatte er seine Hand weggezogen, da hob sie den Kopf auch schon wieder. Sie war müde, ja, konnte aber unmöglich ruhen, solange er es nicht auch konnte â vor allem, da sie wusste, wie ermattet Alex sein musste. Sie fühlte beinah seinen finsteren Blick auf ihrer Kopfhaut brennen, weil sie sich so zierte, und vermied es daher, ihn anzusehen. âErzählt mir von Eurer Familieâ, bat sie stattdessen.
Alex stutzte, und kurz glaubte sie, er werde seine Aufforderung, sie solle schlafen, wiederholen, aber dann entspannte er sich an ihrem Rücken und begann zu berichten. Neugierig lauschte Merry, als er von Vater, Mutter und Schwester sprach und eine Kindheit wiederaufleben lieÃ, die so ganz anders gewesen war als ihre eigene. Die seine war gekennzeichnet von Glück und liebevollen Eltern, die weder tranken noch krank waren und der Pflege bedurften. Erst als er den Tod der Mutter in seiner Jugend erwähnte, wandelte sich sein Ton. Alex wählte seine Worte mit Bedacht, aber dennoch hörte sie heraus, dass das Leben von da an weit weniger idyllisch gewesen war als zuvor. Er sprach weder beleidigend über Edda noch machte er ihr Vorwürfe, doch Merry erkannte, dass die Stimmung auf dâAumesbery angespannt und wenig heimelig gewesen sein musste, nachdem der König die Ehe zwischen ihr und Alexâ Vater erzwungen hatte. Das überraschte sie kaum. SchlieÃlich hatte Edda ihr gestanden, dass sie verbittert und
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