Die Braut aus den Highlands
anwies, Euch ruhen zu lassen und ein Bad für Euch zu richten, wenn Ihr aufwacht.“
Merry bedachte diese Möglichkeit und fühlte dabei selbst ein Hauch von schlechtem Gewissen, zuckte aber schließlich nur mit den Schultern. „Auch gut. Vielleicht legt er es seinem Rausch zur Last und trinkt künftig weniger, wenn er vorhat, mich anzurühren.“
Una brummte nur. „Ich war von Anfang an nicht glücklich darüber, nach England zu gehen“, meinte sie unwirsch. „Aber als wir alle sahen, in welchem Zustand sich der Mann befand, den Ihr heiraten solltet – wahrlich, da hätte ich Euch fast bei der Hand genommen und zurück zu den Pferden gezerrt. Es ist kaum zu glauben, dass Gott und das Schicksal tatsächlich so grausam sind, Euch von der Seite Eures ewig trunkenen Vaters an die eines ewig trunkenen Ehemanns zu stellen.“
„ Aye “, erwiderte Merry leise seufzend.
„Wir können nur hoffen, dass die Fügung einen Plan damit verfolgt und der Mann Euch den Gefallen tut, sich schnellstmöglich umzubringen, auf dass Ihr endlich Frieden findet.“
Eben das hatte auch Merry vergangene Nacht gedacht, doch es nun von ihrer Magd zu hören, ließ es schrecklich kalt und herzlos klingen. Sie schämte sich und wand sich unbehaglich im Wasser.
„Wir werden einfach das Beste daraus machen müssen“, murmelte sie. „Wenigstens Lady Edda wirkt nett“, fügte sie hinzu.
„Hmm“, machte Una, und Merry sah sie neugierig an. Die Magd hatte das Gewand aufgehoben, schüttelte es aus und legte es sorgsam nieder, damit es keine Falten bekam.
„War Lady Edda etwa unfreundlich zu dir?“, fragte sie und runzelte leicht die Stirn.
„Oh, nay “, versicherte Una, presste kurz die Lippen aufeinander und blickte nachdenklich vor sich hin, ehe sie entgegnete: „Aber etwas stimmt nicht.“
„Mit Lady Edda?“, fragte Merry langsam. Nach ihrer Erfahrung waren Frauen Heilige und Männer Sünder. Und es schien ihr, als sei dies auf d’Aumesbery nicht anders. Edda war liebenswürdig und freundlich und Alexander ein betrunkener Tunichtgut. Es kam ihr vor, als sei alles so, wie es zu Hause zwischen ihrer Mutter und dem männlichen Teil der Familie gewesen war.
„ Nay , nicht direkt mit Lady Edda“, sagte Una bedächtig und seufzte. „Ich bin mir nicht sicher. Sie scheint mir ohne Fehl und war bislang immer freundlich zu mir, doch die Bediensteten verhalten sich ein wenig merkwürdig, wenn sie zugegen ist.“
Merry hob die Brauen. „Inwiefern merkwürdig?“
Una zögerte. „Nun, sie verstummen und beäugen sie wachsam.“
Merry überdachte dies. „Haben die Mägde dir irgendetwas erzählt?“
„Oh, nay. “ Schon die bloße Vorstellung war abwegig, und sie verwarf sie mit einer Geste. „Ich bin neu hier. Sie werden mir nichts erzählen, bis nicht gewiss ist, dass sie mir trauen können. Es ist nur so ein Gefühl. Etwas stimmt nicht.“
Merry sann darüber nach. Una war bekannt für derlei „Gefühle“, die sich oft im Nachhinein als falsch erwiesen. Als Merrys Mutter beispielsweise vor ihrem Tod krank daniederlag, hatte die Magd versichert, sie habe „so ein Gefühl“, dass sie sich wieder erholen werde. Stattdessen war ihre Mutter gestorben. Und obgleich Una so sehr darüber gejammert hatte, Schottland verlassen und in einem fremden Land voller Engländer leben zu müssen, hatte sie bei ihrem Aufbruch dennoch das „Gefühl“ gehabt, dass Merrys Zukunft hier sehr viel strahlender aussehen und sie mit ihrem Gemahl glücklicher sein werde, als sie es auf Stewart je gewesen war. Vor dem Hintergrund dessen, was sie hier vorgefunden hatten, konnte man auch dieses „Gefühl“ getrost als unzutreffend bezeichnen.
Merry verdrängte Una und deren „Gefühle“ aus ihren Gedanken und beschloss, Lady Edda lieber danach zu beurteilen, wie sie sich ihr gegenüber gab. Bislang war die Dame zuvorkommend und gar warmherzig gewesen. Somit würde Merry sie zunächst als Freundin betrachten.
Sie brachte das im Grunde überflüssige Bad rasch hinter sich, und als sie entschied, dass es genug sei, und sich erhob, war das Wasser noch immer heiß. Geschwind trocknete sie sich mit dem Leinentuch ab, das Una ihr reichte, und stand anschließend geduldig da, während die Magd noch immer über die Schnitte lamentierte, die sie sich beigebracht hatte. Der oberflächlichere, befand sie, werde bald verheilt sein und wohl kaum wieder aufreißen, so wie der andere, und bedürfe daher keiner Behandlung. Auf den anderen gab sie Salbe, um
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