Die Braut des Cowboys
vielen kleinen Aufgaben erledigt hatte, die sonst die Abende nach der normalen Tagesarbeit auffraßen. Diese vielen kleinen Dinge, die ihn so sehr beanspruchten, dass ihm keine Zeit für eins seiner größten Vergnügen blieb.
Mit einem zufriedenen Seufzer ließ er sich in den alten bequemen Lehnstuhl seines Vaters sinken und legte die Beine hoch. Ein paar Minuten lang saß er einfach nur da, ein Buch in der Hand, und freute sich auf die Aussicht, ein paar Stunden ungestört lesen zu können. Seine Augenlider sanken herab, und er fragte sich, wo Mercy sich gerade aufhielt. Als er vorhin auf den Hof geritten war, hatte sie sich mit Joker beschäftigt, aber seitdem hatte er sie nicht mehr gesehen ...
Plötzlich riss er die Augen auf. Irgendetwas hatte sich verändert. Im Zimmer war es dunkel, und schlaftrunken wurde er gewahr, dass die Leselampe über dem Sessel aus war. Es dauerte auch einen Moment, bis er bemerkte, dass er mit der Decke von der Couch zugedeckt war. Er zog einen Arm darunter hervor und griff nach dem Schalter. Im Lichtkegel sah er dann, dass sein Buch ordentlich zusammengeklappt daneben lag.
Und die Uhr auf dem Schrank gegenüber zeigte drei Uhr nachts.
Ist Walt hier vorbeigekommen? fragte er sich. Nein, der alte Mann hätte wohl das Licht ausgemacht und vielleicht sogar das Buch beiseite gelegt, aber es passte nicht zu ihm, seinen Boss mit einer Decke zuzudecken. Außerdem kam er nach Feierabend so gut wie nie aus der mollig warmen Schlafbaracke herüber.
Das ließ nur eine Möglichkeit offen. Eigentlich mochte er sich nicht eingestehen, dass Mercy ihn hier schlafend vorgefunden und dann wie ein Kind zugedeckt hatte. Und auch nicht, dass ihm das sogar gefiel.
Er wollte sich nicht eingestehen, wie sehr er sich innerhalb dieser kurzen Zeit daran gewöhnt hatte, dass sie hier im Haus war.
"Sie ist ein zähes kleines Ding", meinte Walt anerkennend.
"Stärker, als sie aussieht."
Grant musste nicht nachfragen. Auch wenn Walts Worte deutlich genug waren, es gab sonst keine Sie auf der Ranch. Und er musste ihm recht geben, Mercy war wirklich all das, was er gesagt hatte, und noch mehr.
"Sie mochte es eigentlich gar nicht, als ich ihr mit dem Heuballen helfen wollte", bemerkte Chipper ziemlich finster.
"Brauchte sie Hilfe?" erkundigte sich Walt. Grant hatte den Eindruck, er kannte die Antwort auf seine Frage bereits.
"Also ... nein", gab Chipper verlegen zu. "Sie hat den Ballen mit einem Schwung auf den Wagen befördert, als hätte sie seit Ewigkeiten nichts anderes gemacht. Sie ist tierisch stark."
"Und sie lernt schnell", warf Walt ein. "Ich musste heute morgen nach der gefleckten Stute sehen. Sie macht mich mit ihrem ewigen Herumlaufen nervös, schließlich soll sie ihr Fohlen doch erst in sechs Wochen werfen."
"Mich auch", erklärte Grant. Die Stute, von der Walt sprach, war eine der wertvollsten auf der Ranch, und sie bekam ein Fohlen von Joker. Ihr erster gemeinsamer Nachkomme war das Fohlen, das gestern ausgebüxt war, und sie hofften, das neue würde genauso, kräftig und unternehmungslustig sein. "Aber ...
was hat das mit unserer Besucherin zu tun?"
"Als ich mit meiner Arbeit fertig war, hatte das Mädchen schon die Boxen auf dieser Seite des Stalls ausgemistet."
Grant starrte ihn an. "Sie hat die Boxen ausgemistet?"
"Und dabei noch gute Arbeit geleistet, ja."
Den Sattelraum aufgeräumt. Zügel repariert. Holz gestapelt.
Sein Gewehr geputzt. Brot gebacken. Und dazu noch Heuballen aufgeladen und Ställe ausgemistet.
Er musste an Kristinas Worte denken.
Sie braucht ein wenig Ruhe, sonst geht sie seelisch den Bach hinunter...
Wenn Mercy dies hier als ausruhen betrachtete, dann wollte er nicht wissen, wie es war, wenn sie glaubte zu arbeiten. Und was sie hier tat, war schlichte, harte Arbeit, die Stärke und Durchstehvermögen erforderte, was er bei ihrer Erscheinung niemals vermutet hätte.
Daraus kann ich nur lernen, dachte er. Aber dennoch empfand er leichte Schuldgefühle. Hatte er ihr nicht indirekt zu verstehen gegeben, sie müsse sich ihren Aufenthalt hier in der schwersten Zeit des Jahres verdienen? Es stimmte, die Zeit des Kalbens war hektisch, und mit dem Auftrieb und dem Brandmarken hatten sie alle Hände voll zu tun, aber der Winter war gefährlich, sowohl für die Menschen als auch für die Tiere.
Vielleicht hatte es in ihren Ohren alles ein wenig harsch geklungen.
"... wirst du nun tun, mein Junge?"
Grant führ hoch. "Entschuldige, was hast du gesagt, Walt?
Ich
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