Die Braut des Cowboys
Hände.
Noch immer nicht ganz wach, wanderte sie hinüber zum Fenster und zog die Vorhänge beiseite, die sie letzte Woche geflickt hatte. Schnee. Alles war mit Schnee bedeckt. Als wäre jede Farbe vom Angesicht der Erde getilgt worden.
In der Stadt hatte sie sich immer über den ersten Schnee gefreut, weil sein makelloses Weiß all das Hässliche zudeckte, das ihr bei ihrer Arbeit begegnete. Natürlich wusste sie, das Hässliche war nicht fort, nur verdeckt, aber dennoch hatte sie für kurze Zeit das Gefühl, als sei die Welt sauber und hell. Doch hier besaß die Landschaft ihre eigene saubere, spröde Schönheit, und der Schnee verlieh ihr nur eine Sanftheit, die sie sonst nicht zeigte.
Mercy nahm ihre schwere Schaffelljacke vom Haken, zog sie über und ging zur Tür. Tief sog sie die frische, kalte Luft ein, deren Reinheit sie fast schmecken konnte. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht verließ sie die Veranda und trat in den strahlendweißen Schnee, der unter ihren Füßen knirschte.
Und dann blieb sie stehen. Als Kristina ihr vorgeschlagen hatte, hierher zu kommen, war sie voller Zweifel gewesen. An einen Ort zu gehen, an dem sie nichts zu tun haben würde, war ihr nicht gerade als beste Idee erschienen. Andererseits würde es eine gewisse Ablenkung bedeuten, Grant, den Helden ihrer Kindheit, nach so vielen Jahren wieder zu sehen. Sie hatte jedoch nicht angenommen, dass ein Aufenthalt auf Grants Ranch die ständigen Gedanken an Jack verdrängen konnte. Oder das Bewusstsein, dass sie eigentlich jetzt zu Haus sein sollte, auf der Jagd nach den Männern, die ihn umgebracht hatten.
Aber sie hatte alles unterschätzt. Grant McClure reichte aus, jeden von seinen Problemen abzulenken. Natürlich bedeutete das wieder neue Probleme für sie, aber sie war sicher, ihre dumme Reaktion auf diesen Mann würde sie schon wieder in den Griff bekommen. Es war einfach nur noch ein Restbestand ihrer kindlichen Verliebtheit von damals, das war alles, Und ein Beweis dafür, dass sie als Kind schon einen guten Geschmack gehabt hatte ... Sie musste lächeln. Grant war heute ebenso attraktiv wie zu der Zeit, als sie ihn im Alter von sechzehn Jahren, das erste Mal sah. Sogar noch besser. Viel besser ...
Aber jetzt bist du erwachsen und immun gegen ihn! ermahnte sie sich. Abgesehen davon hatte er mehr als deutlich gemacht, dass sie nicht sein Typ war. Du bist solide, beständig und nicht ein bisschen verwöhnt. Wunderbar! dachte sie. Er hätte auch von einem Hund sprechen können. Oder einem Pferd.
Sie verzog die Mundwinkel. Nun, vielleicht nicht von einem Pferd. Seiner Einschätzung nach besaß sie offensichtlich weniger Charme als der feurige und schimmernde Joker. War es dann nicht besser, sie nahm sich diesen versteckten Hinweis zu Herzen und unterdrückte diese dummen, kindischen Gefühle in ihr?
Aber vielleicht wollte ihre Psyche sie auch nur vor den Erinnerungen beschützen, die sie so oft heimsuchten? Die menschliche Psyche tat seltsame Dinge, um sich vor den Folgen traumatischer Erlebnisse abzuschirmen. Oft genug hatte Meredith dies bei anderen Menschen erlebt.
Dann bildete sie es sich also nur ein, dass ihr Herz schneller schlug, wenn sie ihn sah? Auch die Welle der Zärtlichkeit war Einbildung, die sie überkam, als sie ihn in tiefem Schlaf im Sessel hatte liegen sehen, einen Band von Shakespeare in diesen harten, starken Händen? Sie glaubte es nicht. Aber ...
"Testest du, wie lange du hier draußen in der Kälte stehen kannst, bis du zu Eis erstarrt bist?"
Beim Klang von Grants Stimme wirbelte sie herum und fragte sich, wie, um alles in der Welt, er es wieder geschafft hatte, sich unbemerkt an sie heranzuschleichen. Normalerweise achtete sie immer sehr auf ihre Umgebung und jede Bewegung in ihrer Nähe. So etwas ergab sich zwangsläufig aus ihrer Arbeit.
"Ich ... ich liebe den ersten Schnee", sagte sie und hoffte, er würde ihre plötzlich roten Wangen auf die Kälte zurückführen.
"Hier ist es nicht so wie in der Stadt. Es kommt kein Schneepflug, der die Straßen freiräumt. Der Reiz des Neuen wird schnell vergehen, wenn wir unter zwei Metern Schnee begraben liegen und man tagelang das Haus nicht verlassen kann."
Sie musterte ihn einen Moment lang. "Wieso betonst du eigentlich ständig, dass ich aus der Stadt bin? Meinst du, ich hätte es vergessen?"
Er zuckte kurz mit der Schulter, was alles bedeuten konnte.
"Einfach nur eine Erinnerung."
Eine Erinnerung woran? fragte sie sich. Aber als sie wieder die Stufen
Weitere Kostenlose Bücher