Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
einem Ende, der Reiter wirbelte sie einmal herum und lenkte seinen Gaul an der Linie der Fliehenden entlang, entgegen ihrer Laufrichtung; das Pferd streckte sich und rannte noch schneller, wenn das überhaupt möglich war. Der Anführer der Fliehenden fiel auf die Knie, hob etwas in die Höhe, und von den dreien, die dem einsamen Reiter folgten, stolperte plötzlich ein Pferd und überschlug sich. Der Reiter selbst galoppierte mit seiner über dem Kopf wirbelnden Waffe, ohne sich auch nur umzusehen. Zwei von Bandinis Leuten warfen sich ihm entgegen, aber er war zu gewandt und vor allem zu schnell. Sie flogen aus den Sätteln. Bandini stierte den Mann an. Unwillkürlich hatte er sein Pferd gezügelt. Die Waffe war ein Dreschflegel, nichts weiter. Einer von T. G. ’s Männern brachte sein Pferd zum Stehen – schwerer Fehler!, dachte Bandini – und hob eine Armbrust, da war der einsame Reiter schon heran, und Bandini glaubte über das Hufgetrommel und das Gekreische der Schlacht den trockenen Knall zu hören, mit dem der Flegel sein Ziel fand und das Pferd von seiner Last befreite. Die Armbrust schleuderte davon. Der Reiter kam am Ende der erbärmlich zusammengeschmolzenen Reihe an, die die Flüchtlinge bildeten, und wendete sein Pferd in vollem Galopp. Bandinis Blicke folgten ihm voller Unglauben. Er hörte Niccolò neben sich keuchen.
Eine der fliehenden graubraunen Gestalten brach aus der Linie aus und rannte seitlich davon, einen Verfolger zu Pferd auf den Fersen. Der Verfolger schwang eine Hiebaxt. Bandini sah seinen lachend aufgerissenen Mund. Er schwang die Hiebaxt in einem Aufwärtskreis und kam seinem Opfer immer näher.
»Das ist doch …«, knurrte er.
»Aber das ist doch …«, stieß im selben Moment Niccolò hervor.
Der einsame Reiter änderte den Kurs und stürmte auf den Mann mit der Hiebaxt zu. Dieser riss den Kopf herum und sah ihn kommen. Er wich aus. Das verfolgte Opfer schlug einen Haken. Der einsame Reiter wechselte den Griff an seiner Waffe, hielt den Dreschflegel plötzlich am äußersten Ende, und statt ihn um den Kopf herum zu schwenken, ließ er ihn sinken, bis der bewegliche Kopf aus Hartholz und Lederriemen beinahe im Gras schleifte.
»… der Kardinal«, sagte Bandini.
Der Kardinal, der seine Axt gehoben und das Pferd herumgezogen hatte, konnte sich nicht mehr rechtzeitig auf die Finte einstellen. Statt dass der Dreschflegel von oben auf ihn zugesaust wäre, kam er von unten. Der Kardinal flog aus dem Sattel, seine Axt, sein Helm, selbst einer seiner Stiefel wirbelten davon, und so, wie der Mann auf den Boden prallte, wusste Bandini, dass er nie mehr aufstehen würde. Der Reiter stürmte weiter und wechselte den Griff an seinem Dreschflegel aufs Neue. Bandini stellte fest, dass er selbst die Faust geballt hatte und damit auf seinen Oberschenkel schlug. Ein Armbrustbolzen ging nur um Zollbreit fehl; der Reiter duckte sich und zerrte an den Zügeln, Dreck und Grassoden spritzten auf, als er sein Pferd herumzwang und auf den Schützen zujagte, der seine Armbrust wegwarf und zu fliehen versuchte.
»Mach ihn fertig!«, brüllte Bandini und merkte, dass er den einsamen Reiter anfeuerte. Er blinzelte verwirrt.
»… das ist doch …«, stotterte Niccolò, »Lorenzo Ghirardi!«
Kapitel 38.
E nrico hatte sich an die Spitze gesetzt. Statt sie geradewegs in die Deckung des Schilfs zu führen, rannte er außen herum. Sie folgten ihm – taumelnd, keuchend, stöhnend. An einer Stelle, die nicht anders aussah als alle anderen, blieb er stehen.
»Rein!«, schrie er. »Alles rein!«
Niemand stellte eine Frage. Magdalena ließ sich stoßen und schubsen und schaffte es, ans Ende der kleinen Kolonne zu gelangen, die mehr tot als lebendig in den Schilfwald stolperte. Sie reckte den Hals nach Lorenzo.
Sie hatte nicht gedacht, dass die vier Angreifer, die sich in ihre Richtung aufgemacht hatten, schon so nah waren. Das Pferd schien direkt über ihr aufzuragen, als der Reiter es herumriss. Sie sah ein verzerrtes Gesicht und eine Armbrust, die direkt auf sie zielte. Ihr letzter Gedanke war ein Stich des Bedauerns über die versäumte Gelegenheit heute Mittag im Gebüsch, sich mit dem Mann körperlich zu vereinigen, mit dem sie seelisch verbunden war, seit sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte.
Kapitel 39.
L orenzo Ghirardi wendete sein Pferd erneut und galoppierte zwischen einem mit letzter Kraft dahintorkelnden Bauern und einem von T. G. ’s Banditen hindurch. Der Bandit konnte sich unter dem
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