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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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holte Atem. »Und du?«, fragte er zuletzt.
    Enrico drehte sich nicht um. »Ich wäre nicht desertiert«, sagte er schließlich in Richtung des Baums, an dem die beiden ungleichen Waffen lehnten. »Corto hat mir was über den Schädel gehauen und mich einfach mitgenommen. Als ich erwachte, sagte er, ich wäre zu schade, um mich wie Konrads andere Männer in ein Ungeheuer zu verwandeln.« Er schwieg einige Atemzüge lang. »Anfangs war ich überzeugt, dass er sich irrte.« Es klang, als habe Enrico Mühe, genügend Luft zu bekommen.
    »Weißt du, dass wir quitt sind?«, sagte Lorenzo.
    Enrico zuckte mit den Schultern. »Sind wir nicht«, sagte er.
    »Das mit der losgegangenen Armbrust, als ich zu euch kam, zählt nicht. Das hatte ich selbst provoziert. Und für den Kerl im Dorf hast du mir vorhin da draußen das Leben gerettet.«
    »Du hast das kleine Mädchen zurückgeholt«, beharrte Enrico. »Felicità.«
    »Du hast unsere Gruppe in Sicherheit gebracht. Und Schwester Magdalena«, sagte Lorenzo.
    Enrico wandte sich um und studierte Lorenzo, und Lorenzo ließ zu, dass der schmale Mann in sein Herz blicken und die Wahrheit in seinen Augen lesen konnte: dass Schwester Magdalena die andere Hälfte von Lorenzos Seele war. Enrico schluckte.
    »Habe ich nicht«, sagte er.
    Sie hatten sie auf den Trosswagen gebettet und versucht, das Blut aus ihrem Gesicht zu waschen. Im Halblicht unter den Bäumen war ihre Haut stumpf und fahl. Jemand hatte ihr Gebende und Schleier abgenommen. Ihr zerzaustes kurzes Haar war blutverbacken, der Striemen über ihrem Ohr, den der Armbrustbolzen hinterlassen hatte, eine schwarze, böse Spur. Lorenzo starrte auf ihre reglose Gestalt hinab, hörte das Schluchzen von Schwester Immaculata und die Erklärung Enricos, sah das grimmige Gesicht von Schwester Radegundis und die tränenfeuchten Augen Verrucas und hörte und sah das alles nicht. Er lauschte auf einen Atemzug Magdalenas, den er nicht vernahm, und wartete auf das Flattern ihrer Augenlider, das er nicht erkannte. Ihre Hände waren über ihrem Leib gefaltet und so farblos wie die einer Marmorstatue.
    »Der Kerl hatte Zeit, auf sie zu feuern«, sagte Enrico. »Dann erwischte ich ihn. Als er aus dem Sattel fiel, hörte ich den Schlag. Das Pferd muss sie mit einem Huf getroffen haben – es stieg hoch, als ich seinen Reiter aus dem Sattel putzte.« Enrico schwieg und zog die Nase hoch. »Es tut mir leid.«
    »Du kannst nichts dafür«, hörte sich Lorenzo durch einen dichten Nebel sagen.
    »Es tut mir trotzdem leid.«
    Lorenzo berührte eine ihrer Hände. Sie war eiskalt. Dann fühlte er sich plötzlich beiseitegestoßen; er stolperte und stieß an den Trosswagen. Schwester Immaculata ging mit fliegenden Fäusten auf ihn los. Ihr Gesicht war eine einzige Fratze aus Hass, zwischen geschlossenen Zähnen drang ein Knurren hervor, das nicht zu ihrem schmächtigen Körper zu passen schien, und ihre Fäuste droschen, was sie gerade erwischten. Lorenzo hob die Hände vor das Gesicht und versuchte, eine der Fäuste zu packen, aber sie wirbelten durch die Luft. Er verlor den Halt und fiel zu Boden. Immaculata fiel auf ihn und hämmerte auf sein Gesicht, seinen Hals, seinen Oberkörper ein. Das Knurren hörte auf, sie öffnete den Mund, als sei er zugenäht gewesen, und begann zu schreien. Schaum und Spucke spritzten Lorenzo ins Gesicht. Er bekam eine ihrer Fäuste zu packen und verlor sie wieder. Endlich zerrte jemand die Furie von ihm herunter. Er rollte sich zur Seite und betastete seine blutig geschlagenen Lippen. Schwester Immaculata stöhnte und zuckte unter Verruca und Radegundis, die sie festhielten. Schließlich sackte sie zusammen und begann rau zu weinen. Radegundis schloss sie in die Arme. Enrico zog Lorenzo auf die Beine.
    »Was können wir tun?«, fragte Lorenzo und schielte zu der reglosen Form Magdalenas auf dem Trosswagen.
    »Das fragst du mich? Hast du nicht Felicità wieder Leben eingehaucht?«
    Lorenzo schüttelte den Kopf. »Buonarotti«, flüsterte er. »Er wüsste vielleicht, was zu tun ist.« Er erinnerte sich an Pietro, der sich plötzlich zwischen ihm und Bandini befunden hatte. Wen hatte Pietro versucht zu schützen? Wenn Pietro dabei war, dann war auch Buonarotti nicht weit, das ahnte Lorenzo. Und hatte er nicht halb versteckt hinter Bandini auch Niccolò gesehen? Aber seine Gedanken weigerten sich, das Rätsel zu lösen, das Antonio Bandini und drei von Lorenzos eigenen Männern bildeten, die zusammen mit einer Bande

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