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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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die Chimäre aus dem Grau.
    Magdalena sah das Ungeheuer hinter der langen Linie aus flüchtenden Schatten vorbeistürmen, das Donnern seiner Füße ein Dröhnen, das mit Verspätung bei ihnen ankam. Es rannte an die Spitze, schrie grell und schnaubte und kreuzte den Pfad des vordersten Fliehenden, und dieser überschlug sich plötzlich, während das Monster in ihre Richtung rannte; der Schatten war wieder auf den Beinen und rannte weiter, und die Chimäre warf sich herum. Etwas wirbelte über ihrem aufgebäumten Körper wie eine lange Zunge aus Metall. Sie rannte aufs Neue los, kreuzte den Pfad eines der Menschen weiter hinten … Magdalena sah den Zusammenprall, sah eine auf die Entfernung bestürzend zerbrechliche Gestalt durch die Luft fliegen. Das Geräusch, das bei ihnen ankam und sich anhörte wie eine Faust, die in einen Sack voll Getreide schlägt, erklang erst, als die Gestalt schon zu Boden gestürzt war und nicht mehr hochkam.
    Die Chimäre war ein Mann auf einem Pferd. Er war nicht allein. Magdalena sah seine Kumpane aus dem Dunst kommen und um die flüchtenden Menschen schwärmen wie Aasvögel. Die Verzögerung, mit der das Wiehern, die Wut- und Angstschreie, die Pfiffe und Befehle und die Geräusche von abgefeuerten und einschlagenden Armbrustbolzen, von auftreffenden Schwert- und Axtklingen und von niedergetrampelten menschlichen Körpern zu ihnen drangen, ließ die Szene wie etwas aus dem neunten Kreis der Hölle wirken. Fabio und seine Schützlinge waren zu erschöpft, um Gegenwehr zu leisten oder sich wenigstens in alle Richtungen zu zerstreuen; sie hetzten in gerader Richtung um ihr Leben, und die Reiter kreisten um sie herum und pickten einen nach dem anderen heraus und trampelten ihn nieder.
    »Sie werden angegriffen!«, rief Lorenzo, und dann: »Urso, bleib hier !«
    Der große Mann hörte nicht. Er hatte das Bündel mit seiner Beute auf den Boden geworfen und stürmte auf das Schlachtfeld zu, seine beiden Äxte schwingend.
    Magdalena fühlte, wie sie eiskalt wurde. Radegundis war bei Fabios Gruppe!
    Enrico stieß einen Fluch aus und wand den Lederriemen der Armbrust von seinem Rücken. Lorenzo packte ihn am Arm. Enrico schüttelte ihn ab. Die anderen Wölfe machten Anstalten, hinter Urso herzulaufen. Lorenzo bekam Enrico am Kragen zu fassen.
    » bleib hier !«, brüllte er ihm ins Gesicht. » alle bleiben hier !«
    Enrico versuchte sich freizumachen. Urso wurde zu einem Schatten wie die anderen, als er in die Dämmerung eintauchte. Jemand aus der zusammengedrängten Gruppe der Dörfler schrie auf und deutete in Ursos Richtung. Einer der Reiter war auf ihn aufmerksam geworden und scherte aus, um auf ihn zuzugaloppieren. Der Schrei löste das stumme Entsetzen, das bis dahin über den Menschen gehangen war: Alle begannen zu kreischen und sich gegenseitig vor Angst zu packen. Ein paar fielen einfach zu Boden und hielten die Hände über den Kopf.
    »Bringt sie zum Treffpunkt, bringt sie zum Treffpunkt!«, donnerte Lorenzo und wies auf die Dörfler. Die Wölfe zögerten. »Bringt sie in sicherheit !« Die Wölfe fuhren zusammen und wirbelten herum.
    Magdalena fühlte sich vorwärtsgestoßen, als die Gruppe in ihrer Gesamtheit in Bewegung geriet. Die Wölfe bildeten einen Ring um sie. Sie begann zu laufen. Die Dörfler liefen mit. Die übrig gebliebenen Kinder kreischten. Die übrig gebliebenen Bündel Habseligkeiten landeten auf dem Boden. Magdalena sah Lorenzo, der Enrico in ihre Richtung stieß; was er schrie, konnte sie nicht verstehen. Enrico taumelte und fiel auf ein Knie. Lorenzo rannte los, hinter Urso her. Magdalena stolperte und wäre gefallen, wäre sie nicht Teil einer Masse von Körpern gewesen, die in gemeinsamem Entsetzen dahinrannte wie eine Viehherde in Auflösung. Sie wandte den Kopf und fing sich ab. In ihrem Herzen gellte die Angst: Lorenzo trug nicht einmal eine Waffe.
    Sie sah den Angriff des Reiters in Bruchstücken, wie durch ein Fenster, an dem immer wieder ein Tuch vorbeigezogen wird. Wann immer sie ins Stolpern geriet, musste sie sich abwenden und nach vorn schauen; sobald sie ihr Gleichgewicht wiedererlangt hatte, drehte sie den Kopf zurück. Sie sah Urso und den Reiter in einer Linie aufeinander zustürmen. Dann stürmte nur noch der Reiter vorwärts, direkt auf Lorenzo zu, der hinter Urso herhetzte und damit auf ihre Gruppe zu … Beim nächsten Blick war Urso wieder auf den Beinen, offensichtlich völlig unverletzt, und rannte weiter auf Fabio und seine Schützlinge zu,

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