Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
Kopfschmerzen wieder ein, damit Niccolò den Mund hielt und ihn in Ruhe ließ. Niccolò war ein Mensch, den Gott geschaffen hatte, als Er zu einem schlechten Scherz aufgelegt war, aber Bandini würde ihn noch brauchen, wenn sie erst in Florenz waren, und daher wollte er ihn nicht beleidigen. Die Geschichte, die er erzählt hatte, zeigte neben einigen anderen Dingen ausgezeichnet, dass ein Niccolò Labbrosottile einen Groll sehr lange mit sich herumzuschleppen pflegte. Antonio Bandini hingegen wollte in Ruhe nachdenken.
Eines der anderen Dinge, die die Geschichte gezeigt hatte, war, dass in Lorenzo Ghirardi mehr steckte, als er nach außen hin sehen ließ – aber das war Bandini nichts Neues gewesen. Neu war lediglich, dass das, was hinter der Fassade Lorenzos steckte, nicht ausschließlich Abscheu in Bandini weckte.
Fast begann es ihm leidzutun, dass er in ein paar Tagen würde zusehen müssen, wie Lorenzo Ghirardi am Henkersstrick baumelte.
Kapitel 15.
S ie hatten einen ganzen Tag verloren, verschwendet in dem einsamen Gehöft mit den frischen Gräbern davor, über den sich die Ruhe eines Schlachtfeldes vierundzwanzig Stunden nach der Schlacht gesenkt hatte und von dem am Ende des Tages selbst Magdalena zu glauben begann, dass die Seelen der Ermordeten dort immer noch umherirrten. Verschwendet war der Tag, nicht vertrödelt, denn – sie fuhr sich über das Gesicht und rieb sich die brennenden Augen, während sie die Wolkenwand beobachtete, die sich von Westen heranschob und dem Sonnenuntergang eine gewisse Düsternis verlieh – getrödelt hatten sie keine Sekunde.
Schuld daran war eine lebende Seele gewesen; eine, der der Anblick der geschundenen Leichen und möglicherweise die Nachtstunden in der Nähe der Folterkammern, zu denen die Häuser geworden waren, am Ende so sehr zugesetzt hatten, dass sie die Flucht aus der dünnen Schicht der Realität angetreten hatte. Offensichtlich hatte es dort, wohin sie geflohen war, aber auch keine tröstlicheren Dinge gegeben, zumindest wenn man anhand des panischen Heulens urteilen wollte, das sich in den noch finsteren Stunden des Morgengrauens dem Körper entrang, in dem die Seele beheimatet war, und das lange Stunden nicht mehr aufhören wollte.
Schwester Immaculata war es nicht gewesen. Wenigstens nicht von Anfang an … wenigstens so lange nicht, bis das Geheul sie ebenfalls schreiend und stöhnend in die Felder stolpern ließ, die Hände über den Ohren, nachdem sie stundenlang zusammen mit Magdalena und Schwester Radegundis versucht hatte, das Heulen zu lindern.
Das Grauen, das von den Gebäuden Besitz genommen hatte und das hier noch viele Jahre eine Heimat finden würde, solange die Erinnerung ihm Nahrung gab, hatte das Opfer gefunden, das von ihrer Gruppe am verletzlichsten war, weil es allein war.
Der übrig gebliebene Klosterknecht … Magdalena schauderte, als sie daran dachte, wie sie alle miteinander von seinem Heulen in die Höhe gefahren waren. Ihr Herz hatte so hart gepocht, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen, während das Kreischen durch die Dunkelheit drang und sie in den ersten Momenten des Halbwachseins überzeugt war, dass die Geister der Toten über sie herfielen. Der junge Mann hatte auf der Strohschütte gelegen, die er sich im Stall bereitet hatte, und hatte geschrien. Man hätte meinen mögen, dass jemand, der derart vom Terror erfüllt war, vor sich selbst geflohen wäre, aber der Klosterknecht war tatsächlich gelähmt gewesen vor Entsetzen. Er stierte mit offenen Augen ins Nichts, fuchtelte mit den Händen vor seinem Gesicht herum und brüllte. Seine Hosen waren nass, wo seine Blase nachgegeben hatte. Bruder Girolamo, der ein kleines Feuer vor dem Eingang zum Stall unterhalten und sich mit seinen drei Brüdern die Wache geteilt hatte, war mit einem brennenden Ast als Fackel hereingestürmt. Das Licht hatte den Tobenden nicht beruhigt, es stachelte seinen Schrecken eher noch an. Schaum spritzte von seinen Lippen, dann spritzte Blut, als er sich die Zunge aufbiss.
Die Mönche hatten gebetet und versucht, seine Glieder mit kleinen Gaben Weihwasser aus einem Lederbehältnis abzureiben. Bruder Girolamo, immer der Pragmatiker, solange es nicht darum ging, dass sein Stolz verletzt war, hatte kräftige Güsse aus einem Wassereimer hinzugefügt. Es hatte nichts geholfen; so wie es nichts geholfen hatte, dass sie ihm ein Kruzifix auf verschiedene Körperteile drückten, ihm Psalmen in die Ohren brüllten und ihn schließlich ohrfeigten. Das
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