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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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dafür auch ihr selbst nicht mehr klar, doch Magdalena empfing die klaren Signale, dass etwas zwischen ihnen sich geändert hatte und dass dieser Prozess fortschreiten würde, bis sie beide an Positionen angelangt waren, an denen sie sich gegenseitig nicht mehr wiedererkennen würden. Bruder Girolamo und die anderen beiden Mönche hatten die Kapuzen übergestreift und waren einheitlich aussehende Fremde. War Magdalena wirklich mit diesen Menschen bis hierher gereist? Sie fühlte sich, als wäre ihre Verbindung zur Welt lose geworden, und wenn sie sich umsah, schien der Anblick ihr Gefühl zu bestätigen. Sie wusste, dass sie, wenn das Wetter sich nicht änderte, nun die nächsten paar Tage in einer sich im Tempo ihres Fußmarsches vorwärtsbewegenden Blase reisen würden, als endete die reale Welt an den Grenzen des Sichtbaren – oder schlimmer noch, als wäre die reale Welt da draußen und hätte nichts mit ihnen zu tun.
    Sie spähte zur Straße hinüber. Wenn sie sich die Richtung nicht von gestern her noch eingeprägt hätte, wüsste sie nicht einmal, wohin sie zu gehen hatte.
    »Wir gehen nach Bologna und melden den Stadtbehörden, was wir hier vorgefunden haben«, sagte sie. »Danach reisen wir so schnell wie möglich weiter.«
    Bruder Girolamo senkte den Kopf in einem leichten Nicken. Und nach Bologna wird Bruder Girolamo uns führen wie ein liebevoller Schäfer seine Herde, fühlte sie sich versucht hinzuzusetzen. Sie schwieg; ihr Stolz ließ es nicht zu. Tauben und Falken, dachte sie. Wahrscheinlich bin ich wirklich vom Heiligen Geist verlassen.
    Der Morgen ging in einen Mittag über, der sich nur dadurch manifestierte, dass Bruder Girolamo und seine Gefährten stehen blieben, die Hände falteten und das Sext-Gebet sprachen. Sie schienen sich der Zeiteinteilung völlig sicher, während Magdalena jegliches Gefühl dafür verloren hatte. In den vergangenen Stunden hatte niemand ein Wort gesprochen. Ihre Schritte waren das einzig identifizierbare Geräusch in dieser Blase aus Irrealität gewesen. Andere Geräusche waren von jenseits der Nebelwand zu ihnen gedrungen, ohne ihre Quelle preiszugeben. Einmal waren sie an einem Grüpplein alter Männer und Frauen vorübergekommen, das am Straßenrand gesessen hatte. Sie hatten sie als dunkles Häufchen wahrgenommen, sobald der Nebel es zuließ, und im Näherkommen war Magdalena sicher gewesen, es mit Leichen zu tun zu haben, und sah die gnadenlos verstümmelten Körper im Wohngebäude des Gehöfts vor sich. Es waren jedoch lebende Menschen gewesen, die ausdruckslos zu ihnen aufsahen, als sie vorüberschritten; kein Gruß, kein Kopfnicken, keine Reaktion auf Bruder Girolamos in die Luft gezeichneten Segen. Als dunkles Häufchen verschwanden sie wieder hinter ihnen auf der Straße, und als Magdalena sich noch einmal umdrehte, hatte der Nebel sie bereits wieder verschluckt. Sie faltete die Hände und schloss sich ihren Weggefährten im Gebet an, obwohl sie sich nicht sicher war, ob die Worte es durch den Nebelvorhang hindurch bis an die Ohren Gottes schafften.
    Das neue Geräusch klang wie das unrhythmische Klopfen eines Hammers, der den Putz von einer Wand aus Hohlziegeln schlägt, um eine neue Schicht aufzutragen und ein Fresko zu malen. Sie blickte auf und sah die Schatten durch den Nebel näher kommen.
    »Reiter nähern sich«, sagte sie.
    »Sie haben uns schon gesehen«, erklärte Girolamo, als wäre dies ganz allein Magdalenas Schuld.
    Magdalena bekreuzigte sich. »Amen«, sagte sie. Und einem plötzlichen Einfall folgend: »Gehen wir weiter. Wer sich bewegt, wirkt nicht so ängstlich.«
    Sie wartete nicht auf die anderen; die Verblüffung, die sie empfing, machte sie sicher, dass sie ihr folgen würden. Die Schatten wurden größer, während sie sich näherten, und zugleich kleiner, als das Ungewisse immer weiter zurücktrat und schließlich zwei Reiter enthüllte, die in langsamem Schritt herankamen. Magdalena hielt sich an der linken Seite der Straße, nicht so weit, dass es wirkte, als drücke sie sich an der zu erwartenden Begegnung vorbei, aber auch nicht so weit zur Mitte, dass es provokant wirkte. Nach ein paar Schritten schloss Schwester Immaculata plötzlich auf. Magdalena wappnete sich gegen die Welle aus beginnender Panik, die mit Immaculatas Nähe einherging und die die junge Klosterschwester ausstrahlte wie einen Geruch.
    Die Reiter waren jetzt fast heran. Sie verlangsamten ihr Tempo ebenso wenig wie Magdalena und ihre Truppe. Sie lenkten ihre Pferde

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