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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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zur anderen Seite der Straße. Als sie gleichauf waren, rief Magdalena mit aufgesetzter Aufgeräumtheit: »Gott zum Gruß und einen guten Weg, die Herren.« Sie hörte, wie Girolamo ein Geräusch machte, das vermutlich der Beginn eines verschluckten Grußes war. Die Reiter wandten ihr die Köpfe zu, und Magdalena empfing einen Stich aus plötzlichem Interesse an ihrer Person, der wie ein Sonnenstrahl war, den jemand mit einer Glasscheibe einfing und in ihre Augen reflektierte.
    »Gott zum Gruß, Schwester«, sagte der eine der Reiter. Sie nickte. Im nächsten Moment waren sie an ihr vorbei und passierten die Reihe, die hinter Magdalena kam. Magdalena beobachtete aus dem Augenwinkel und mit ihrem besonderen Sinn, wie sie einen ihrer Weggefährten nach dem anderen taxierten: Schwester Radegundis, die ihre Blicke offen zurückgab; die beiden Mönche in Begleitung Bruder Girolamos, die die Augen gesenkt hielten; und Bruder Girolamo, der starr geradeaus schaute wie jemand, der sich einredet, unbeschadet durch ein Wolfsrudel marschieren zu können, wenn er nur nicht zugibt, dass er die Tiere sieht. Die Reiter hingen in den Sätteln, als befänden sie sich bereits lange Zeit darin. Sie kamen ans Ende der Reihe, die Pferde schritten weiter. Magdalena spürte immer noch, wie sie sich auf sie konzentrierten, ein Interesse, das sie weder als gut- noch als bösartig einordnen konnte. Das Geräusch der Hufe wurde langsamer. Magdalena biss die Zähne zusammen. Das Geräusch verstummte.
    »Was tun sie?«, flüsterte Schwester Immaculata.
    »Dreh dich nicht um«, zischte Magdalena. Sie fühlte, wie sich eine eiskalte Hand in die ihre schob, und hätte sie am liebsten sofort zurückgestoßen, aber die Not Schwester Immaculatas war zu groß, als dass sie es übers Herz gebracht hätte. »Sie sind stehen geblieben«, sagte sie.
    Der Schritt der jüngeren Schwester stockte. Magdalena zerrte an ihrer Hand.
    »Geh weiter«, raunte sie. »Immer in Bewegung bleiben.«
    Sie hörte, wie die Pferde wieder weitergingen. Aber das Geräusch entfernte sich nicht. Ihr Herz schlug in der Kehle. Das Hufgeklapper klang plötzlich gedämpft, und während Magdalena dem noch nachhörte, wurde ihr klar, dass die beiden Männer die Pferde von der Straße heruntergetrieben hatten und ihre Gruppe jetzt durch das Gras überholten.
    Etwas in ihr sagte ganz nüchtern: Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen, nicht wahr? Bist du bereit? Die Bilder der geschändeten Leiber aus dem Gehöft begleiteten die nüchterne Stimme und sorgten dafür, dass Magdalenas Atem in ihrer Kehle eng wurde.
    Die Reiter überholten sie jetzt auf der linken Seite. Magdalena spürte die Blicke. Sie warf den Kopf zurück und begegnete den Augen des vorderen Reiters. Er nickte ihr zu. Sie nickte zurück. Er grinste mit einer Reihe von Zahnlücken. Magdalenas Gesicht blieb unbeweglich.
    »Wohin führt der Weg, Schwester?«, fragte der Mann.
    »All unsere Wege führen zu Gott«, sagte sie.
    Er legte zwei Finger an die Lippen und küsste ihre Spitzen. Dann sah er himmelwärts und legte die Finger auf seine Herzgegend. Der Blick, mit dem er Magdalena danach ansah, war abschätzend. Magdalena war sicher, dass er die aufsteigende Panik in ihrem Blick bemerken musste. Er war sich offenbar nicht schlüssig, was er von ihr zu halten hatte. Magdalena unterdrückte den Drang, trocken schlucken zu müssen. In der Angst, die immer stärker in ihr wurde und die vom Zittern der Hand Immaculatas und von den fast körperlich spürbaren Schwaden des Terrors, die von ihr herüberwehten, noch befeuert wurde, verwirrte sich ihr Sinn bezüglich der Intentionen anderer Menschen. Sie wusste nicht, was die Signale bedeuteten, die sie empfing. Als er seine Augen als Erster niederschlug, wurde ihr klar, dass er nichts von ihrer Not bemerkt hatte. Es gab ihr ein klein wenig Sicherheit zurück, gerade so viel, dass sie es schaffte, nicht langsamer zu werden und Schwester Immaculata mit sich zu zerren.
    »Auf Wiedersehen, Schwester«, sagte der Mann. Die beiden trieben ihre Pferde an, erklommen weiter vorn die Straße wieder und trabten langsam in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
    »Sie verschwinden«, flüsterte Immaculata.
    Magdalena schüttelte den Kopf.
    Es war ein Spiel, so viel verstand sie. Keines von denen, die die Klosterbediensteten und die Bauern spielten, wenn bestimmte Festtage im Jahr es erlaubten; es war eines, das nach Regeln funktionierte, die Magdalena nicht verstand. Sie wusste nur, dass

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