Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
in sie hinein, »ich bin sicher, dass Sie mein wahres Gesicht von Anfang an wahrgenommen haben.«
Bruder Girolamo, der noch nicht glauben konnte, dass die Verhandlungen ohne ihn geführt wurden, sagte: »Wer garantiert dir, dass wir nicht trotzdem Soldaten auf eure Fährte hetzen?«
»Niemand«, sagte der Kahlkopf. »Aber wenn die Soldaten uns finden, werden drei Nonnen sagen, dass sie ohne Zwang mitgekommen sind und dass die Fantasie mit dir durchgegangen sein muss. Selbstverständlich kommt es auch darauf an, wie viele Soldaten es sind. Wenn es wenig genug sind, töten wir sie, bevor sie Fragen stellen können.« Er legte den Kopf schief und sah Bruder Girolamo mit aufgesetzter Freundlichkeit an. »Hast du noch Fragen?«
Einer der Männer hatte offenbar ein Signal aufgefangen, das Magdalena entgangen war. Er stemmte den Schaft einer Armbrust in die Hüfte. Die Armbrust war gespannt. Es lag kein Bolzen in der Rinne, doch Magdalena sah den gedrungenen Köcher, der am Sattelknauf baumelte und aus dem die gefiederten Enden ragten, und wusste, er würde seine Waffe geladen und schussbereit haben, noch bevor Bruder Girolamo sich ganz herumgedreht und zur Flucht gewendet haben würde. Der Mann war schmal und drahtig. Er musterte Bruder Girolamo und sagte halblaut und wie zu sich selbst: »Es war einmal ein Mönchlein, das zu viele Fragen stellte.« Sie fühlte eine verwirrende Mixtur von ihm ausgehen: den Wunsch, Bruder Girolamo möge ihn nicht zwingen zu schießen, die absolute Ergebenheit, trotzdem zu schießen, wenn sein Anführer es verlangte, und vermischt mit allem ein Groll, der nicht erst von gerade eben stammte und der ihn unberechenbar machte.
»Gesetzt den Fall, wir schließen uns dir und deinen Männern an«, hörte Magdalena sich sagen. Die Schwingung, die nicht in den Chor der anderen Schwingungen passte, war hektischer geworden, als der schmale Mann die Armbrust gehoben hatte. »Bist du dann bereit, dir meine Bedingungen anzuhören?«
»Schwester Magdalena, du versündigst dich!«, zischte Bruder Girolamo, der, so viel musste man ihm zugestehen, von der Bedrohung mit der Waffe nur mäßig beeindruckt schien. Der Kahlkopf legte den Kopf schief wie jemand, der darauf wartete, belehrt zu werden.
»Meine Schwestern und ich werden so behandelt, als befänden wir uns in einem Kloster und ihr wärt die Gäste«, sagte sie. »Wenn ihr von einer von uns etwas wollt, sprecht ihr mich an und nicht meine Schwestern. Ihr redet leise und respektvoll. Wenn wir etwas im Namen unserer Schützlinge fordern, kommt ihr dieser Forderung nach. Wenn ihr eure schmutzigen Geschäfte erledigt habt, lasst ihr uns sofort ziehen.«
»Sollen wir vielleicht auch noch sechsmal am Tag beten?«, fragte der Mann mit der Armbrust.
»Nein«, sagte Magdalena. »Wir beten für euch. Ich bin sicher, dass ihr es längst verlernt habt.«
Magdalena spürte, wie das Zittern von Immaculatas Hand sich verstärkte. »Ich will nicht bei diesen Männern bleiben«, wisperte sie. Der Kahlkopf öffnete den Mund, aber Magdalena kam ihm zuvor.
»Es sind im Augenblick nicht unsere Wünsche, die unser Geschick steuern«, sagte sie.
Der Kahlkopf lächelte. »Ich hätte es nicht schöner sagen können, Schwester Magdalena.«
Schwester Immaculata und Schwester Radegundis erklommen den Wagen, Immaculata schluchzend, Radegundis schweigend, beide die mit großer Geste angebotene Hilfe des Kahlkopfs verschmähend; Magdalena wartete ab, bis ein älterer Mann, der sich im Wageninneren befand, nicht gerade freundlich dazu aufgefordert wurde, auszusteigen und den Schwestern Platz zu machen; Girolamo und die beiden anderen Mönche standen am Rand der Straße, Girolamo offensichtlich kochend vor Zorn. Da hielt es der Mönch plötzlich nicht mehr aus. Er trat vor, noch ehe jemand reagieren konnte, stellte sich direkt vor den Kahlkopf, riss sich theatralisch die Kutte vor der Brust auf und rief: »Erstich mich, du Teufel, oder erschieß mich, oder schinde mich zu Tode, wie du die armen Kreaturen in jenem Gehöft zu Tode geschunden hast – aber ich werde nicht zulassen, dass du meine Schwestern im Glauben fortführst.«
Magdalenas Herz setzte aus bei Girolamos närrischem Schritt. Zwei, drei Männer rissen ihre Piken hoch, der schmale Mann legte die Armbrust an. Schon lag der Bolzen in der Rinne. Girolamo wandte dem Mann den Rücken zu.
»Weg von ihm, aber sofort!«, schrie der Mann mit der Armbrust. »Zurück, sage ich, oder ich drücke ab.«
»Tu es doch!«,
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