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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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hinterher. Enricos Blicke folgten ihm, während er durch seine Schusslinie rannte. Dann riss der schmale Mann die Armbrust hoch – Lorenzos Atem stockte plötzlich –, schwang sie herum und feuerte, und ein Plünderer, der brüllend über einen Zaun sprang, wurde zurückgeworfen und knallte zwischen die Zwiebelstauden. Enrico spannte erneut, ohne hinzusehen. Lorenzo hastete weiter.
    Die Schwärze einer fensterlosen Hütte umfing ihn und der Geruch nach Rauch, Tieren, feuchtem Erdreich und menschlichen Körpern. Bunte Flecken tanzten vor seinen Augen. Er hörte Kampfgeräusche, Grunzen und Ächzen. Etwas schoss grell quiekend auf ihn zu und brachte ihn beinahe zu Fall: ein Ferkel. Das Ferkel sauste zum Hütteneingang hinaus. Lorenzo stolperte über etwas Weiches und erkannte, dass eine Gestalt mitten in der Hütte lag, der Körper war zu nachgiebig, um noch Leben in sich zu haben. Corto war plötzlich neben ihm, und noch bevor Lorenzo denken konnte, schwang er die Klinge beiseite, anstatt die Gelegenheit zu nutzen und sie Corto in den Leib zu jagen; Corto zerrte ihn mit sich hinaus, stieß »Weiter! Weiter! Nächste Hütte!« hervor. Lorenzo sah im Halbdunkel im Hintergrund der Hütte eine Gestalt mit langen Haaren, die sich krümmte und schluchzte, an der Wand eine andere Gestalt mit Puffärmeln und Beinlingen, die sich um ihre Knöchel gewickelt hatten, still, ganz still. Lorenzo glaubte die schwarze Lache zu sehen, die sich zwischen ihren Beinen sammelte.
    Sie kamen alle fast gleichzeitig wieder hervor; vier Hütten waren gesäubert. Lorenzo hatte Mühe, sich zu orientieren. Ein Bolzen pfiff an seinem Ohr vorbei und schlug in die Wand der Hütte ein, Corto keuchte und griff sich an den Oberarm, ein weiterer Bolzen klatschte hinter ihm in die Wand. Als Corto die Hand wegnahm, sah Lorenzo einen Striemen über den Muskel gehen, unter dem das rohe Fleisch hervorschimmerte. Sie sprangen auseinander. Weiter unten, zwischen den letzten Häusern, formierte sich der Widerstand; ein weiteres Dutzend Männer in allen Stadien der Unordnung, manche mit zerkratzten Gesichtern und Blut an den Wämsern, das vermutlich nicht ihres war. Zwei von ihnen trugen Armbrüste und spannten sie; einer flog hintenüber, und Enrico rollte sich beiseite, noch während der Bogen seiner Waffe bebte; wo er eben noch gewesen war, schlug der Bolzen aus der Waffe des zweiten Armbrustschützen auf und schlitterte über die Erde. Dann rannten die Männer auf sie zu.
    Lorenzo klaubte seine Pike auf und zögerte einen Augenblick, und dieser Augenblick rettete Enrico das Leben. Lorenzo sah eine Bewegung aus dem Augenwinkel, fuhr herum und entdeckte einen Plünderer, der aus einem Winkel zwischen zwei Häusern direkt neben Enrico sprang, einen Bidenhänder in beiden Händen schwingend. Enrico, mitten im Spannen seiner Armbrust, blickte auf und erstarrte, als er erkannte, dass er nicht rechtzeitig fertig würde, um den Angreifer zu erschießen; der Bidenhänder beschrieb einen blitzenden Bogen, und Lorenzo stieß mit einem Ausfallschritt, der ihn selbst beinahe zu Fall brachte, seine Pike nach vorn und rammte sie in den Gassenhauer hinein. Gepfählt zuckte der Mann auf seiner Pike und sah ihn mit hervortretenden Augen an, bevor die Spitze nach unten zog, weil das Opfer sich nicht mehr aufrecht halten konnte.
    Was hatte er falsch gemacht, dass er nach diesen drei langen Jahren jetzt wieder hier war, scheinbar keinen Schritt von dem Tag entfernt, an dem sein altes Leben verloschen war, und erneut mit aufgerissenen Augen zusah, wie eine dicke Bahn Blut an der Stange entlang auf seine Hände zurann?
    Lorenzo ließ die Pike fallen. Ohne es zu bemerken, hatte er den Mann vor sich her in die Spalte zwischen den Hütten hineingetrieben, aus der er gekommen war. Der Mann sank zur Seite und ächzte. Lorenzo stolperte zurück. Der Mann öffnete den Mund und schrie. Lorenzo tastete blind an seinem Gürtel, aber Corto hatte seinen Dolch und selbst das kurze Messer an sich genommen. Der Mann streckte die Hand nach ihm aus. Es war genauso wie damals, nur dass die Überraschung in den Augen des Sterbenden fehlte, jenes vollkommene und absolute Entsetzen darüber, wer den Stoß geführt hatte. Der Kopf des Gepfählten rollte zurück, und die Hand sank herab.
    Lorenzo drehte sich mit zitternden Beinen um und stolperte aus der Gasse hinaus, an Enrico vorbei, der die Armbrust fertig gespannt hatte und ihn anstarrte. »Jetzt sind es schon zwei Leben«, flüsterte er Enrico zu

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