Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
sein Haar und hämmerte seinen Hinterkopf gegen die Hüttenwand, immer wieder. Die Augen seines Opfers verdrehten sich.
    »Du-Bas-tard«, keuchte er mit jedem Schlag. Spucke und Blut spritzten ins Gesicht des Mannes. »Du-Bas-tard! Du-Bas-tard!«
    Arme umfingen ihn, hielten ihn fest und zerrten ihn zurück. Lorenzo strampelte mit den Füßen und schrie vor Wut. Der Mann im Hemd rutschte an der Hüttenwand nach unten und rollte sich auf dem Boden zusammen. Lorenzo versuchte nach ihm zu treten und wurde noch weiter zurückgezerrt. Dumpf wurde er gewahr, dass es Corto sein musste, der ihn hielt. Er versuchte sich loszureißen und taumelte mit Corto in einem irrsinnigen Pas de deux auf der Straße herum. Der Trosswagen schwankte in sein Blickfeld und verschwand. Cortos Männer, die Hütten, die Straße, die gekrümmte Gestalt in ihrem verschmutzten Hemd, der Trosswagen erneut, das bleiche Gesicht von Schwester Wie-hieß-sie-noch, die die Arme ausstreckte, als wäre sie in der Lage, ihn in seiner Tollwut zu stoppen, wo es nicht einmal Corto gelang – dann füllte Fabios besorgter Blick plötzlich Lorenzos Horizont aus, und Fabios besorgte Faust flog heran und machte Lorenzos Raserei ein Ende.

Kapitel 19.
    M agdalena hatte erwartet, dass es eine Siegesfeier geben würde, komplett mit mindestens einer in Brand gesteckten Bauernhütte und Frauen in zerrissenen Kleidern, die vor Angst schreiend um das Feuer herumliefen, verfolgt von Männern, die bereits den Hosenlatz aufgeknöpft hatten, während die Ehemänner und Brüder und Söhne jener Frauen Essen und Getränke heranschaffen mussten. Stattdessen brannten nur zwei niedrige Lagerfeuer an unterschiedlichen Stellen des Dorfes. Um das eine von ihnen saßen Cortos Wölfe – seit der Mann, von dem sie mittlerweile erfahren hatte, dass er Lorenzo hieß, sie unter Cortos »Wolfspack« willkommen geheißen hatte, konnte sie von den Männern nicht mehr anders denken –, das andere brannte neben der plumpen Kapelle und beleuchtete die toten Dörfler. Es waren schon mehr als ein halbes Dutzend regloser Körper, und immer wieder tauchten ein oder zwei Bauern aus dem Inneren einer Hütte auf und trugen entweder ein kleines, stilles Bündel auf den Armen oder schleppten den schwereren Leichnam eines Erwachsenen zwischen sich. Magdalena dachte an die Hütte, in der die ermordete Familie lag. Noch hatte sich niemand der fünf Leichen angenommen. Was der sterbenden Frau angetan worden war, hatte Magdalena würgen lassen; die Tränen waren ihr in die Augen getreten, als sie den Säugling mit dem zermalmten Schädel in der Wiege gesehen hatte. Die Dörfler, die ihre Toten heraustrugen, weinten nicht. Ihre Gesichter waren dunkel und so starr, als wären sie aus tausend Jahre altem Holz geschnitzt und über dem Feuer gehärtet worden. Vor einer der verhüllten Kinderleichen kauerte eine Frau und wiegte sich mit leeren Armen hin und her. Selbst von ihr kam kein Laut.
    Cortos Wölfe aßen und tranken. Die Dörfler hatten wortlos Vorräte vor ihnen ausgebreitet; Corto hatte sie ebenso wortlos angenommen. Ein zahnloser Alter hatte den still weinenden Jungen – Verruca? – an der Hand genommen und mit sich geführt. Corto hatte es geschehen lassen. Verruca saß jetzt an die Kirche gelehnt in dem kleinen Friedhof, in dem die Dörfler Gräber aushoben. Magdalena spürte, dass der heutige Tag für den jungen Mann ein Scheideweg war: Es mochte sein, dass er im Dorf blieb, wenn Cortos Männer wieder weiterzogen. Magdalena war überzeugt, dass Corto ihn nicht daran hindern würde.
    Während sie langsam und ziellos durch die fallende Dunkelheit schlurfte, dachte sie daran, dass die Welt auf den Kopf gestellt war. Wer im Glauben wankte, konnte zu der Überzeugung gelangen, dass es der Teufel war, der das Sagen hatte, und nicht Gott. Was Magdalenas Glauben betraf, so war dieser noch einen Schritt weiter gegärt und ließ sie ahnen, dass es tatsächlich weder Gott noch der Teufel waren, die auf der Welt regierten, sondern ganz allein die Menschen. Corto hatte sich mit seinen Männern in diesem Dorf einnisten und von den Dörflern aushalten lassen wollen wie ein Feudalherr, bis die Lösegelder gezahlt wären. Ohne Zweifel hätte das Wolfspack die Vorräte des Dorfes aufgefressen und sich den Teufel darum geschert, ob die Bauern nach ihrem Abrücken überhaupt über den Winter kamen. Ohne Zweifel wäre auch die eine oder andere Bauersfrau oder Magd vergewaltigt worden, und ebenfalls ohne Zweifel hätte

Weitere Kostenlose Bücher