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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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ebenso schockiert zu sein. In all ihren bisherigen Wortwechseln schien sie immer eine vage Vorahnung gehabt zu haben, was Lorenzo sagen würde – die Eröffnung, dass der Gefangene Corto kannte, hatte sie jedoch unvorbereitet getroffen.
    Der Gefangene lehnte sich seitwärts, sodass er an Corto vorbeiblicken konnte. Wenn man seine Körperhaltung deutete, war er nicht unter Feinden, sondern unter Verbündeten, die ein wenig unter ihm standen und in deren Gegenwart man eine freundlich-herablassende Verhaltensweise an den Tag legte. »Und da ist ja auch Enrico. Es war einmal, Enrico, was? Fabio hier habe ich ja schon gesehen. Wer läuft sonst noch hinter dir drein? Urso? Giuglielmo? Verruca, der Hosenscheißer?«
    Der Gefangene sprach mit einem schwerfälligen Akzent, den Lorenzo nicht einordnen konnte. Seine Worte schienen keinerlei Sinn in Lorenzos Ohren zu ergeben; erst sein Hirn setzte sie – mit Verspätung – zusammen und gab ihnen eine Bedeutung, die Lorenzo nicht glauben konnte.
    »Halt’s Maul, Macello«, sagte Enrico. Am Tonfall seiner Stimme vermutete Lorenzo, dass Enricos Knöchel weiß hervortraten, so verkrampft umklammerte er seine Armbrust.
    »Freut mich, dass du dir meinen Namen gemerkt hast, Geschichtenerzähler.«
    »Ich denke jedes Mal an dich, wenn ich meinen eigenen Arsch ansehe«, sagte Enrico.
    »Also immer, wenn du in den Spiegel schaust«, sagte Macello.
    Corto drehte sich zu Enrico um. »Lass ihn in Ruhe, Enrico«, sagte er. »Hol Urso her.«
    »Und Giuglielmo? Verruca? Pio-Pio und die anderen? Alle haben ein Recht darauf, zuzusehen, wenn du ihn aufhängst.«
    »Ich hänge ihn nicht auf«, sagte Corto. »Er will uns was erzählen, und ich möchte, dass das außer mir noch ein paar andere hören.«
    »Hast du Angst, dass du allein es dir nicht merken kannst?«, spottete Macello.
    »Genau. Und jetzt ab mit dir, Enrico. Sprich Urso so an, dass die anderen nicht gleich aufmerksam werden.«
    »Corto, du solltest den Scheißkerl sofort …«
    »Enrico …«
    »Du machst einen Fehler, patron !«, stieß Enrico hervor. Er stapfte davon.
    »Wir schaffen ihn in den Trosswagen«, sagte Corto zu Fabio. »Wenn wir hier um ihn herumstehen, werden noch alle neugierig. Lorenzo, Fabio, ihr haltet ihn fest. Beim ersten Versuch, abzuhauen, schneidet ihr ihm die Kniesehnen durch.«
    »Warum fangen wir nicht gleich mit einer davon an?«, murmelte Fabio. Lorenzo war fassungslos über den Hass, der offenbar in Fabio schwelte. »Mit einem Bein kann er doch ganz gut humpeln.«
    »Du hast zu lange neben ihm gesessen, er färbt schon auf dich ab«, erwiderte Corto. Fabio schnappte nach Luft und erblasste. Sein Blick flackerte seitwärts.
    Macello musterte Lorenzo. »Ein Neuer, was? Wie geht’s dir als Trottel der Kompanie, Kleiner? Geben Sie dir was von der Beute ab?«
    Lorenzo sagte: »Sie wollten mir deinen Schwanz geben, aber ich bezweifle, dass ich ihn finden kann.«
    Der Gefangene lachte. »Da hättest du aber das größte Stück von allen erhalten. Nicht wahr, Schwester?« Er strahlte Magdalena an.
    »Wenn er nur halb so groß wäre wie dein Messer, hättest du der Unglücklichen in der Hütte nicht die Brüste abschneiden müssen. Nicht wahr, mein Sohn?«
    Lorenzo wandte sich überrascht um und starrte die junge Klosterschwester an. Sie fixierte den Gefangenen mit hervortretenden Wangenmuskeln. Corto hatte sich ebenfalls umgedreht und grinste. Nur Lorenzo sah, dass Magdalena zitterte und dass ihre Fäuste zuckten. Aus einer Aufwallung heraus fasste er nach unten und nahm eine der zuckenden Fäuste in die Hand. Sie fühlte sich an wie Wurzelholz und war eiskalt. Magdalena riss sie heftig weg.
    »Fabio und Enrico wollten dir sofort die Kehle durchschneiden, als sie dich erkannten«, sagte Corto zu Macello. »Die anderen haben noch gar nicht mitbekommen, dass du es bist. Du bist alt geworden.«
    »Ein Jahr ist eine lange Zeit.«
    »Du tust die falsche Arbeit. Du hättest in die Stadt gehen und bei den Fleischbänken arbeiten sollen. Dann könntest du dir auf totem Fleisch einen runterholen, ohne vorher jemanden umbringen zu müssen.«
    »Du musst es ja wissen«, sagte der Gefangene.
    Urso kam heran. Sein mächtiger Körper strahlte die Hitze des Feuers aus, er roch nach Rauch und guter Laune. Er klopfte Lorenzo gegen den Oberarm, nickte der Schwester zu, schob sich an ihnen vorbei und sagte zu dem Gefangenen: »Na, Junge, da hast du dich ja in eine schöne Lage gebracht. Du erwartest ja doch … hoffentlich …

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