Die Braut des Freibeuters: Er beherrschte die Meere - doch sie war die Herrin seiner Sinne (German Edition)
hatte, »übt Euch bis dahin bitte in Geduld.«
Während Martin an seine Arbeit zurückkehrte, bevor der Erste Maat bemerkte, dass er mit Vanessa sprach, ging sie langsam über Deck. Die Independence war ein schönes Schiff, das hatte sie bei den früheren Gelegenheiten, als sie im Freien gewesen war, gar nicht bemerken können. Und jetzt war sie außerstande, der Stimme der Vernunft zu gehorchen, die ihr sagte, dass sie unweigerlich einen Streit mit dem Captain provozieren würde, sollte dieser erfahren, dass sie sich gegen seinen ausdrücklichen Befehl länger hier oben aufhielt, als er ihr zugebilligt hatte. Stattdessen ging sie langsam über das sich im Wasser hin und her wiegende Schiff und nickte den Leuten zu, die sie teils verlegen, teils fröhlich grüßten und ihr weitaus mehr Respekt entgegenbrachten als die Matrosen auf dem englischen Handelsschiff.
Sie blieb stehen, lehnte sich an die Reling und sah sich um. Wirklich ein schönes, elegantes Schiff, mit klaren Formen und Masten, die den Himmel zu berühren schienen. Alles war sauber und glänzte, das Deck war makellos rein, und die Kanonen schienen frisch poliert zu sein. Es wunderte sie kaum, dass Robert McRawley alles getan hatte, um es wieder zurückzuerhalten.
Sie drehte sich um und sah aufs Meer hinaus. Die Independence und das fremde Schiff waren die einzigen Punkte auf dieser endlosen, bewegten, blau, grün und golden schimmernden Fläche. Meer, nichts als Meer. Sie hatte sich schon so sehr daran gewöhnt, dass es ihr kaum noch auffiel. Es war so, als gäbe es nichts anderes auf der Welt als diesen Ozean, das Schiff und die wenigen Personen, die darauf lebten. Ihr früheres Leben lag so unfassbar weit zurück, und ihr Ziel Jamaika, wo ihr Onkel sie vermutlich schon als vermisst abgeschrieben hatte, war in unerreichbare Ferne gerückt. Noch vor einem halben Jahr, als sie das erste Mal überlegt hatte, Frankreich zu verlassen, hätte sie niemals vermutet, dass sie eines Tages auf einem Freibeuterschiff der rebellischen Kolonien stehen würde und im Begriff war, sich Hals über Kopf in dessen Captain zu verlieben.
Leicht lächelnd schloss sie die Augen, hielt das Gesicht in die herabbrennende Sonne und schnupperte den inzwischen schon vertrauten Geruch nach Meer, Holz, Teer und – ungewaschenen Männern. Sie wandte den Kopf und sah, dass sich ihr zwei der Seeleute genähert hatten. Sie kannte sie beide. Sie hatten zu den Angreifern der Duchesse gehört. Sie wandte sich um und gab vor, sie nicht zu bemerken, wurde zu ihrem Unwillen jedoch von ihnen angesprochen.
»Na, hübsches Kind, wieder mal an Deck? Hat der Captain heute keine Zeit für dich?« Ein widerliches Lachen folgte, und Vanessa ging einige Schritte weiter.
»Aber, aber, warum denn so unfreundlich? Kann mir schon vorstellen, dass du nicht mit jed…«
Plötzlich verstummte er, und Vanessa hörte ein dumpfes Geräusch, einen heiseren Aufschrei, ein Poltern, und wandte sich hastig um. Drei Matrosen umstanden den am Boden Liegenden. Einer von ihnen war Smithy, der sich jetzt mit einem Messer in der Hand zu ihm hinunterbeugte. »Hör gut zu, mein Freund«, sagte er in einem wohlwollenden Tonfall, »solltest du oder ein anderer von eurer Bande mieser, dreckiger, elender Piraten noch einmal die Unverschämtheit besitzen, der Lady zu nahe zu treten, dann schneide ich dir alles ab, was an dir nicht niet- und nagelfest ist. Und das ist – wie du schnell sehen wirst – eine ganze Menge. Und jetzt verschwinde und gib das an das restliche Lumpengesindel weiter.«
Vanessa sah, wie sich der Mann eilig aufrappelte und mit seinem Kumpan Richtung Vorderdeck verschwand.
Smithy sah ihnen zufrieden nach, steckte sein Messer wieder weg und kam dann auf sie zu, während seine Freunde herübernickten. »Alles in Ordnung, Madam. Die machen Ihnen keinen Ärger mehr. Entschuldigen Sie die unfeinen Worte, aber das war notwendig. Einige sind eben unbelehrbar – diesmal werden sie’s wohl endlich kapiert haben.«
Der Arzt, der bisher am Achterdeck gestanden und zu dem anderen Schiff hinübergeblickt hatte, näherte sich. »Probleme, Smith?«
»Nein, Sir, jetzt nicht mehr.«
Dr. Johnson wandte sich an Vanessa. »Sie sollten sich vielleicht besser auf dem Achterdeck aufhalten, Madam. Das ist für die Offiziere reserviert und darf von der Mannschaft nur mit ausdrücklicher Erlaubnis betreten werden.«
»Sir«, grinste Smithy breit, »ich denke, die Lady kann sich überall auf dem Schiff aufhalten,
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