Die Braut des Herzogs (German Edition)
prüfenden Seitenblick zu: »Sie kennen den Mann nicht, Mylady?« fragte er.
Marilla schüttelte energisch den Kopf: »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wer er sein könnte.«
Der Vicomte fühlte sich verpflichtet, dem Fremden eine Abfuhr zu erteilen. Er tat dies in einem herablassenden und verächtlichen Tonfall.
Sein vermeintlicher Landsmann murmelte eine Entschuldigung und trat zerknirscht einige Schritte zurück. Seine Bekannten waren dem Wortwechsel interessiert gefolgt.
»Ich habe die Dame wirklich für Madame Fournarêt gehalten«, sagte er mit traurigem Lächeln zu dem Herrn, der neben ihm stand. »Sie war eine so gute Freundin. Mein Wunsch, sie in Sicherheit zu wissen, war wohl größer als mein Verstand, Monsieur. Denn auf den zweiten Blick hatte diese englische Lady keinerlei Ähnlichkeiten mit äh … Jaqueline. Sie kannten Jaqueline Fournarêt, Monsieur?« Während der Gefragte verneinte, waren der Vicomte und seine Begleitung bereits weitergegangen.
Marilla legte mit einer dramatischen Geste den Handrücken an die Stirne: »Nein, so eine Unverschämtheit. Ich muß Sie ersuchen, Vicomte, uns zu Lady Darlingtons Loge zu bringen.«
Der Franzose kam ihrer Bitte ohne zu zögern nach.
Olivia hatte die Szene interessiert, wenn auch schweigend verfolgt. Sie war sich nicht im klaren, was sie davon halten sollte. Zu Beginn hatte sie den Verdacht, daß es sich bei dem Fremden um Marillas gesuchten Sohn handeln müßte. Auf den ersten Blick glaubte sie sogar eine Ähnlichkeit zwischen ihm und ihrer Stiefmutter zu erkennen. Doch dann verwarf sie diesen Gedanken.
Hatte Marilla nicht davon gesprochen, daß ihr Sohn ein ausgesprochen schöner junger Mann sei, dunkelhaarig und elegant? Nun, die Eleganz konnte im Laufe der Jahre, da es ihm finanziell nicht gut ging, abhanden gekommen sein. Das war jedoch keinGrund, sich in einen modischen Stutzer zu verwandeln. Und dunkelhaarig war er auch nicht. Nein, der Fremde konnte nicht Mat sein. Was sie jedoch stutzig machte, war Marillas seltsames Verhalten. Sie wußte, daß ihre Stiefmutter sehr gut französisch sprach, und doch hatte sie vorgegeben, ein paar einfache Sätze nicht zu verstehen. Sie kannte sie als eine humorvolle Frau mit wachem Verstand. Das aufgeregte Verhalten paßte nicht in dieses Bild. Zu dumm, daß sie vor einem Fremden das Thema nicht anschneiden konnte. Sie brannte darauf, mit Marilla zu sprechen. Da es im Augenblick nicht möglich war, den Vicomte loszuwerden, mußte sie sich gedulden. Sie entschloß sich, auf das Spiel ihrer Stiefmutter einzugehen. Zuerst versuchte sie, die empörte Dame zu beruhigen, dann lenkte sie das Gespräch in harmlosere Bahnen.
In der Zwischenzeit hatten der Herzog und MacAlister die Gruppe um Lord Sudbury erreicht. Mat erkannte sie schon von weitem. Wenn er ihre Mienen richtig interpretierte, wollten die beiden dringend mit ihm sprechen. Er entschuldigte sich bei seinen Begleitern und sagte mit einem theatralischen Gefühlsausbruch – in seinem schauspielerischen Talent seiner Mutter um nichts nachstehend – daß ihm das Wiedersehen mit seiner vermeintlichen Freundin sehr nahe gegangen sei. Er wolle, überwältigt von dem Gefühl der Enttäuschung, seine Gedanken in Stille ordnen. Dabei schien er den Tränen nahe.
Seine Freunde waren an ihm vorbeigegangen. Mat folgte ihnen in einigem Abstand, gesenkten Hauptes, so als sei er völlig mit seinen Gedanken beschäftigt. Nachdem sich der Herzog vergewissert hatte, daß Mat hinter ihnen herging, verließ er die breite Allee und begab sich auf einen schmalen Seitenweg. Sie kamen in einen Teil der Gärten, der von Besuchern kaum frequentiert wurde. In menschenleerer Stille lag er vor ihnen. Die Umgebung war im Licht des Mondes schemenhaft auszunehmen. Sie blieben stehen und warteten, bis ihr Freund herangekommen war.
»Wir müssen dich warnen«, begann der Herzog. »Deine Mutterist heute abend hier anwesend. Wir haben sie vor etwa einer halben Stunde gesehen. Was für ein dummer Zufall, der sie gerade heute nach London bringt …«
»Ich bin ihr schon begegnet«, unterbrach ihn Mat.
»Verdammt!« rief MacAlister. »Hat sie dich erkannt? War sie noch in Begleitung dieses Valliseau?«
»Ja, das war sie. Und in Begleitung einer weiteren Dame. Einer auffallend attraktiven, soweit ich das gesehen habe.«
»Diese auffallend attraktive Dame ist Miss Redbridge«, sagte Seine Gnaden.
»Julians Verlobte«, erklärte MacAlister, als er Mats fragenden Blick
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