Die Braut des Herzogs (German Edition)
sehen.
»Ich werde Sie zurückbegleiten«, bot sich Mr. Finch-Bottom an, der ihren ratlosen Blick richtig interpretierte.
»Da wäre sehr …« sie brach ab, da sie ein Stück kupferrotesKleid an einem der Eingänge bemerkte. »Mein, danke, das ist nicht nötig. Ich habe eben meine Stiefmutter entdeckt. Ich werde mich ihr anschließen. Haben Sie vielen Dank.«
Mit diesen Worten ließ sie ihren Kavalier stehen. Der Weg quer durch den Pavillon zu dem Eingang, vor dem sie Marillas Kleid gesehen hatte, war nicht so rasch zurückzulegen, wie sie gedacht hatte. Alle Anwesenden wollten das Feuerwerk sehen und drängten zu den Ausgängen. Als Olivia endlich ins Freie trat, war keine Spur mehr von Marilla zu sehen.
»Zu dumm«, dachte Olivia, »ich hätte das Angebot von Mr. Finch-Bottom annehmen sollen.« Ohne Begleitung durch die Menschenmenge zu spazieren, war für eine Dame alles andere als erfreulich. Zuviel Pöbel mischte sich unter das Publikum. Ratlos blickte sie sich um.
Welch ein Glück! Sie sah Marillas Kleid wieder, als diese eben in einem der Seitenwege verschwand. Befreit atmete sie auf und beeilte sich, ihrer Stiefmutter zu folgen. Ob sie wohl noch immer in Begleitung von Wellbrooks war? Wie kam es, daß Marilla weder in Richtung der Logen, noch zum Feuerwerk unterwegs war? Mühsam bahnte sich Olivia ihren Weg gegen den Strom der Besucher. An der Weggabelung war von Marilla nichts mehr zu sehen. Es war wirklich wie verhext. Nun, sie hatte Marilla diesen Weg einschlagen sehen, also würde sie ihm folgen. Umkehren hatte keinen Sinn. Längst hatten alle Bekannten, denen sie sich hätte anschließen können, ihre Sitze auf dem Rasen eingenommen. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als den Weg zu gehen, den Marilla eingeschlagen hatte. Merkwürdig war das schon.
Dieser Weg führte weg von den beleuchteten Promenaden in ein Dickicht von Büschen und Sträuchern. Zu allem Übel waren nun auch kleine Steinchen in ihre Sandalen geraten. Sie blieb stehen und blickte sich um. Nirgends war eine Menschenseele zu sehen. Also zog sie ihre Schuhe aus, um sie zu entleeren. Sie mußte den Verstand verloren haben, als sie den Weg in diese einsame Gegend einschlug. Sicher jagte sie einem Phantom nach. Da blieb nichts anderes übrig als umzukehren.
Sie wollte es eben tun, als sie gedämpfte Stimmen vernahm. Erschrocken zuckte sie zusammen. Gebe Gott, daß ich doch Marilla gefunden habe, dachte sie. Es war unheimlich hier in diesem einsamen Teil der Gärten. In Strümpfen, die Schuhe noch in der Hand, eilte sie zu der Stelle, von der sie die Stimmen gehört zu haben vermeinte. Es war nun ganz still um sie her, von weit weg war leise die Musik des Pavillons zu vernehmen. Da hörte sie die Stimmen wieder. Sie waren jetzt ganz nahe, nur durch eine dichte Eibenhecke vom Weg getrennt.
Es war eindeutig ein Mann, der da sprach. Mit wem sollte sich Marilla in dieser Abgeschiedenheit treffen? Olivia schlich näher und spähte durch die Zweige. Sie konnte zwei Gestalten erkennen. Doch, wie sie befürchtet hatte, war ihre Stiefmutter keine von beiden. Wer aber waren die Leute, die sich hier in der Dunkelheit trafen? Ein Mann trat unter einer Baumgruppe hervor. Das Mondlicht fiel ihm direkt in das Gesicht Olivia erkannte einen kleinen, untersetzten Burschen mit Glatze und tiefliegenden Augen. Ob sie gerade Zeuge eines heimlichen Stelldicheins wurde? Obwohl dieser Mann nicht wie ein feuriger Liebhaber aussah, der sich hier zu später Stunde mit seiner Angebetenen traf.
Und doch schien seine Kleidung wie geschaffen für eine heimliche Flucht: Sie war dunkel, ohne jeden Aufputz. Weiße Kragenspitzen fehlten ebenso wie silberne Knöpfe. Wie mochte wohl die junge Dame aussehen, die sich zu so später Stunde mit einem so wenig romantisch aussehenden Galan traf? Die zweite Gestalt trat in das Mondlicht. Zu ihrem fassungslosen Erstaunen war das keine Frau. Sie konnte das Gesicht des Mannes nicht deutlich wahrnehmen. Doch schien ihr sein Gang vage vertraut. Und dann seine Jacke! Seine ersten Worte bestätigten den Verdacht: es war der Vicomte de Valliseau!
Nun hatte sie doch, zu guter Letzt, Glück. Sie würde den Vicomte bitten, sie zum Feuerwerk zurück zu begleiten. Gerade als sie den ersten Schritt durch das Gebüsch machen wollte, ließ eine neue Entdeckung sie in ihrer Bewegung verharren: Sie sah die kleine Pistole in der Hand des Franzosen, mattschimmerndim fahlen Licht des Mondes. Olivia spürte, wie ihre Knie weich wurden. Was sollte
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