Die Braut des Herzogs (German Edition)
Darlington«, wiederholte MacAlister, »na, immerhin hat sie durchaus respektable Verwandte.«
Der Herzog war aufgesprungen: »Ich muß jetzt dringend raus hier!« rief er. »Weißt du was, Andrew, wir verzichten auf die Soiree bei Lady Morgan und suchen den Spielsalon auf, den mein Erbe neuerdings favorisiert.«
Seinem Freund war dieser Plan durchaus angenehm, und er folgte Wellbrooks in die Halle. Der Sekretär, der sich plötzlich allein in der Bibliothek vorfand, sah nun den richtigen Zeitpunkt gekommen, seine Kündigung auszusprechen. Als auch er die Halle betrat, sah er, wie sein Herr im Eilschritt auf dem Weg in das obere Geschoß war.
»Was ich noch sagen wollte, Sir …« rief er ihm nach.
Der Herzog drehte sich überraschend um, verlor den Halt und sank mit einem Schmerzensschrei zu Boden. Dort blieb er sitzen, sein rechtes Fußgelenk mit beiden Händen umfassend, das Gesicht schmerzverzerrt.
»Was wolltest du sagen?« erkundigte er sich ruhig.
»Es war nichts Wichtiges, Sir. Ich hoffe, Sie haben sich nicht ernsthaft verletzt«, entgegnete Mr. Bactexter pflichtbewußt: »Ich werde sofort Dr. Rolley rufen lassen.« Damit eilte er davon, um das Nötige zu veranlassen.
VIII .
»Willkommen bei deiner Tante, meine Liebe!« begrüßte Lady Darlington ihre Nichte herzlich und zog sie an ihren üppigen Busen. »Ich freue mich so, dich wieder bei mir zu haben. Weißt du, seitdem Laura geheiratet hat und nach Tunbridge Wells gezogen ist, ist es sehr still in meinem Haus geworden. Manchmal denke ich, ich wohne in einer Gruft.«
»Ich freue mich auch dich wiederzusehen und danke dir sehr herzlich, daß du mich eingeladen hast«, erwiderte Olivia voller Freude über den warmherzigen Empfang. »Ich bin etwas später von zu Hause weggekommen, als vorgesehen war. Ich hoffe, ich habe dich nicht warten lassen.«
»Aber nein, meine Liebe«, entgegnete Mylady. »Ich habe mirden heutigen Abend für dich freigehalten und keine Einladung angenommen. Wir haben uns doch so viel zu erzählen. Mein Kind, du mußt doch entsetzlich müde sein von der langen Fahrt. Bist du hungrig? Wenn du möchtest, lasse ich dir gerne einen kleinen Imbiß servieren. Du weißt ja, ich nehme mein Abendessen ziemlich spät. Oder möchtest du dich auf dein Zimmer zurückziehen und dich etwas ausruhen? Du kannst dich ganz frei entscheiden. Fühle dich bitte wie zu Hause.«
»Nein, nein, ich bin gar nicht müde«, erwiderte Olivia. »Und mit dem Essen kann ich leicht bis zur Dinnerzeit warten. Weißt du, ich habe unterwegs eine Rast gemacht und einen Schinkensandwich zu mir genommen. Es ist wirklich nicht nötig, sich so viele Gedanken um mich zu machen.«
Sie lächelte Mylady freundlich zu: »Und wie geht es dir, liebste Tante?« erkundigte sie sich. »Du siehst blendend aus. Keinen Tag älter, als ich dich in Erinnerung hatte.«
Lady Darlington lächelte geschmeichelt: »Du bist wirklich lieb«, sagte sie und ging voran zu der Sofagarnitur, die wie die übrigen Polstermöbel in hellem Gelb gehalten war und vorzüglich mit dem dunklen Holz der Einrichtung harmonierte. »Komm, setz dich zu mir.« Sie klopfte einladend mit der Hand auf den Platz neben sich: »Laß dich einmal ansehen.«
Sie hatte ihre Nichte bereits bei der Begrüßung diskret gemustert und war über diesen ersten Eindruck alles andere als glücklich. Vor ihr stand ein Mädchen, nein eigentlich eher eine junge Frau, nicht mehr in der ersten Jugendblüte. Die Haare streng nach hinten gekämmt, mit einem dunklen Band gehalten. Ihr Kleid in verblichenem Grün, hochgeschlossen mit zahlreichen Knöpfen am Leibchen und einer kleinen Spitze am Kragen, konnte nicht den Anspruch erheben, modisch oder elegant zu sein. Die Schuhe waren zu derb für eine Dame der Gesellschaft, auf Schmuck hatte Olivia überhaupt verzichtet. Kurz, ihre Nichte war zwar nicht mehr das scheue, unbeholfene Landkind, das sie vor sechs Jahren gewesen war, sie hatte sich zu einem reizlosen Fräulein entwickelt.
Während Lady Darlington sie also herzlich begrüßte, zweifelte sie insgeheim daran, daß dieser London-Aufenthalt ihrer Nichte erfolgreicher verlaufen würde als der vorige. Beim Wechsel der ersten Worte stellte sie erfreut fest, daß sie ihr anfängliches strenges Urteil revidieren konnte: Das Kind hatte eigentlich ein ebenmäßiges Gesicht, eine feine, wenn auch leicht nach oben gebogene Nase und hübsch geschwungene Lippen. Was jedoch am meisten auffiel, waren ihre Augen. Wenn Olivia lachte, blitzten
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