Die Braut des Herzogs (German Edition)
nicht den Herzog?« erkundigte sich ihre Nichte gespannt.
»Aber, mein liebes Kind!« rief Mylady aus. »Wir wollen doch nicht nach den Sternen greifen. Seine Gnaden ist das begehrteste Objekt auf dem Heiratsmarkt. Die schönsten und reichsten Mädchen werfen seit Jahren ihre Netze nach ihm aus, und noch keinem ist es gelungen, ihn einzufangen. Es wäre doch zu vermessen, anzunehmen, daß es gerade uns gelingen sollte: Im übrigen habe ich den Eindruck, daß der Herzog angewidert ist vonall dem Getue um seine Person. Ich kann mir vorstellen, daß er beschlossen hat, ledig zu bleiben und keiner Dame ins Netz zu gehen.«
Olivia hatte ihrer Tante interessiert zugehört. Der Herzog wurde also sehr umschwärmt und war darüber so angewidert, daß er den Verdacht erregte, ledig bleiben zu wollen. Und doch hatte er um sie angehalten. Oder hatte er gerade deshalb um sie, eine Unbekannte, angehalten, weil er so bedrängt wurde? War sie hier einem Grund für den überraschenden Antrag auf die Spur gekommen? Es schien ihr fast unglaublich.
»Ich kenne den Herzog nicht«, sagte sie, ihre Gedanken für sich behaltend: »Warum wird er so umschwärmt?«
»Na, unter anderem weil er eben ein Herzog ist, meine Liebe«, antwortete Lady Darlington. »Und dazu reich und gutaussehend und im besten Mannesalter.«
»Also ein Mann ohne Fehl und Tadel«, stellte Olivia mit leicht spöttischem Tonfall fest.
»Nein, das ist er nicht«, entgegnete Mylady. »Er ist eigentlich, meistens zumindest, kein sehr angenehmer Mensch. Weißt du, er ist arrogant und hochfahrend, trägt stets eine Miene unerschütterlicher Gelangweiltheit zur Schau, und man hat fast den Eindruck, daß er seine Mitmenschen verachtet. Und doch kann er auch sehr charmant sein, wenn er will. Aber wie immer er sich auch gibt, er ist seit Jahren tonangebend. Und obwohl er sich nie in den Vordergrund spielt, erregt sein Erscheinen allerorts Aufmerksamkeit. Na, du kannst dir ja bald selbst ein Bild von ihm machen, denn sicherlich wirst du ihn in den nächsten Tagen kennenlernen. Er meidet zwar die Bälle, die zu Ehren von Debütantinnen gegeben werden, aber sonst ist er ein begehrter Gast. Natürlich reißt sich jede Gastgeberin darum, ihn unter ihren Gästen zu haben, und sei es nur für wenige Minuten«.
Bei diesen Worten blieb ihr Blick zufällig an der kleinen Alabasteruhr hängen, die eine schmale Glasvitrine schmückte. Sie hielt inne und erklärte, daß es schon überraschend spät geworden sei und höchste Zeit, sich für das Dinner umzukleiden. Da sie glücklicherweise für diesen Abend keine Gäste eingeladenhabe, könne man das erfreuliche Pläneschmieden beim Abendessen fortsetzen.
Olivia hätte noch gerne mehr über diesen erstaunlichen Gentleman gehört, dem sie so gut wie anverlobt war. Doch da sie ihre Tante nicht hellhörig machen wollte, stellte sie keine weiteren Fragen, sondern ließ sich bereitwillig auf ihr Zimmer führen.
IX .
Den nächsten Tag verbrachten die beiden Damen mit einer ersten Einkaufstour in der Bond Street. Als sie am Nachmittag nach Hause zurückkehrten, waren beide zwar erschöpft, aber dennoch bester Laune. Der Einkaufstag war äußerst erfreulich verlaufen.
Lady Darlington war sofort damit einverstanden gewesen, ihr ursprüngliches Vorhaben, Olivia zu ihrer eigenen Schneiderin mitzunehmen, aufzugeben. Sie hatte ihrer Nichte erklärt, daß Mrs. Dudleys Modelle für ältere Damen, wie sie es nun einmal war, genau das richtige wären. Sie sei eine wahre Meisterin der Kunst, auch füllige Damen modisch und dabei keineswegs wuchtig erscheinen zu lassen. Aber für eine junge Dame mit tadelloser Figur, die überdies aufzufallen gedachte, waren deren Modelle einfach zu wenig mondän. Sie hatte daher Olivias Vorschlag, Madame Christine aufzusuchen, die ihr von Marilla empfohlen worden war, sofort gebilligt. »Ja, ich habe schon davon gehört, daß die Kreationen dieser Französin überaus elegant sein sollen«, hatte sie zugegeben. »Deine Stiefmutter hat einen außerordentlich guten Geschmack, keiner wird das bezweifeln. Allerdings«, hatte sie eingewandt, in ihrem Enthusiasmus schlagartig gebremst, »fühle ich mich verpflichtet, dich darauf hinzuweisen, daß ihre Preise geradezu enorm sein sollen. Ich weiß nicht, ob du eine Vorstellung davon hast. Eine komplette neue Garderobe kostet ein Vermögen!«
»Ich habe zu meiner Großjährigkeit die Verfügungsgewalt über das Geld bekommen, das mir Mama hinterließ«, hatte Oliviaerwidert.
Weitere Kostenlose Bücher