Die Braut des Herzogs (German Edition)
behandelt.
Doch gab es eine Berechtigung dafür, ihr dafür die Schuld zu geben? Wellbrooks konnte doch nicht einmal einen Zusammenhang zwischen ihr und Lord Sudburys Familie erkennen! Unruhig wälzte sie sich im Bett hin und her. Aber hatte ihr denn der Herzog irgend etwas vorgeworfen? Nein, er war ruhig gebliebenund äußerlich ganz gelassen. Und doch war der Ausdruck in seinen Augen ihr durch Mark und Bein gegangen. Es hatte sich Unglauben darin gespiegelt, Enttäuschung, ja, sogar. Entsetzen!
Olivia fuhr im Bett hoch: Warum sollte ihn meine Frage nach Lord Sudbury entsetzt haben?!
Sie hatte doch ganz plausibel ihre Freundschaft mit Mats Frau erklärt. Nun, diese Frau war der Grund für die Entzweiung zwischen Mat und seinen Eltern gewesen. Sollte Wellbrooks etwa entsetzt darüber sein, daß Olivia diese Frau ihre Freundin nannte? Das konnte sie sich nicht vorstellen. Hat nicht der Herzog die unnachgiebige Haltung von Mats Eltern verurteilt? Hatte nicht er zwischen Vater und Sohn zu vermitteln versucht? Nein, die Bekanntschaft mit Mats Frau konnte ihn nicht entsetzt haben.
Aber was war es dann?
Warum erklärte er, er könne nicht sagen, wo sich Mat aufhalte? Konnte er es nicht oder wollte er es nicht?
Am nächsten Morgen zog ihre Zofe die Vorhänge des Bettes zur Seite und verkündete gutgelaunt, daß der Tag wieder strahlend schön zu werden versprach.
Olivia richtete sich mühselig auf und griff gewohnheitsmäßig zu der Tasse Kakao, die auf dem Nachtkästchen bereitstand.
Als sie nicht antwortete, warf ihr Molly einen prüfenden Blick zu. Sie erkannte, daß ihre Herrin ungewöhnlich blaß war und sich dunkle Ringe um ihre Augen gebildet hatten, und sie fragte sich besorgt, ob sich Miss Olivia nicht wohl fühle. »Sie werden doch nicht krank werden, Miss?« meinte sie, »so kurz vor unserer Abreise nach Rochester.«
»Ach, mach dir keine Sorgen, Molly«, erwiderte Olivia müde. »Ich habe schlecht geschlafen, das ist alles.«
»Ich hoffe wirklich, es ist nichts Ernstes«, sagte die Zofe, während sie den Kleiderschrank öffnete. »Mylady wäre sicher untröstlich, wenn sie den Ausflug zu General Gleavensham, zur Schwester des Generals, sollte ich sagen, verschieben müßte.«
Olivia, die sich längst nicht mehr fragte, wie es kam, daß alleDienstboten so gut über die Gefühle ihrer Herrschaft Bescheid wußten, wiederholte nur matt, daß sie sich ausgezeichnet fühle, und ordnete dann an, das gelbe Musselinkleid herauszulegen, mit dem dazupassenden Hut, da sie am Vormittag zu einer Ausfahrt eingeladen sei.
»Oh, fahren Sie mit dem Herzog aus, Miss?« erkundigte sich Molly neugierig.
»Nein«, antwortete ihre Herrin mißmutig und knapp.
Als der Vicomte de Valliseau Olivia abholte, hatte sie sich jedoch schon wieder so weit gefangen, daß es ihr gelang, ihn mit einem freundlichen Lächeln zu begrüßen.
Die Ausfahrt durch den blumengeschmückten Hyde Park, die Wärme der Frühlingssonne und ihr charmanter Begleiter trugen viel dazu bei, daß sie um einiges ruhiger und ausgeglichener zum Haus ihrer Tante zurückkehrte.
»Ein Mann hat nach Ihnen gefragt, Miss«, erklärte der Butler, als er Hut und Handschuhe in Empfang nahm.
Olivia blickte ihn überrascht an. Irrte sie sich, oder hatte da wirklich Mißbilligung in seiner Stimme mitgeklungen?
»Wer war der Gentleman, der mich sprechen wollte?« fragte sie.
»Wenn ich mir die Freiheit erlauben darf«, erwiderte der Butler steif, »so handelte es sich bei diesem Besucher keineswegs um einen Gentleman.«
Er reichte ihr das kleine Silbertablett, auf dem eine einfache Visitenkarte lag.
»Eher ein Bürgersmann, würde ich sagen«, fuhr er fort. »Aber auch da nicht aus der Elite seines Standes.«
»Mr. Jonathan Stevens«, las Olivia nachdenklich.
Irgendwie kam ihr dieser Name bekannt vor. »Mr. Jonathan Stev … Ja natürlich, ich erinnere mich!« rief sie aus. »Hat der Mann gesagt, was er von mir wollte?«
»Nein, Miss«, entgegnete der Butler würdevoll. »Doch er teilte mit, daß er am Nachmittag abermals vorzusprechen beabsichtige.«
Mit dieser Ankündigung mußte sich Olivia zufriedengeben.Sie begab sich auf ihr Zimmer, um sich für den Lunch frisch zu machen.
Mr. Jonathan Stevens – das war doch der Fremde, der ihr ihre Handtasche gerettet hatte, nachdem sie ihr auf der Bond Street entrissen worden war. Wie lange schien das nun schon her zu sein! Was er wohl von ihr wollte? Sicher, sie hatte zugesagt, sich für seine Dienste erkenntlich
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