Die Braut des Herzogs (German Edition)
Lügerei! Warum hatte sie von Marilla nicht gefordert, dem Herzog die Wahrheit enthüllen zu dürfen? Warum hatte sie sich überhaupt diese lästige Pflicht auferlegen lassen, Mats Aufenthaltsort herauszufinden! Es war einfach unerträglich!
Was mochte Wellbrooks nur von ihr denken? Er wußte sicher, daß sein Freund nicht verheiratet war. Warum hatte er es ihr bei dem Gespräch im Theater nicht gesagt? Was dachte er denn von ihr?
Ein entsetzlicher Gedanke kam ihr in den Sinn, und sie schnappte entsetzt nach Luft: Dachte er etwa, sie hätte ein persönlichesInteresse an Seiner Lordschaft? Welch ein absurder Gedanke! Jedenfalls hatte der Herzog von Anfang an gewußt, daß sie die Unwahrheit sagte. Sie mußte ihn umgehend darüber aufklären, was sie dazu gezwungen hatte.
Noch heute würde sie Marilla schreiben und diese auffordern, sie des Versprechens zu entbinden. Dann mußte sie mit Wellbrooks sprechen!
Matthew Laurent war nicht verheiratet! Warum hatte er sich dann nicht bei seinen Eltern gemeldet, da doch der Grund des Zerwürfnisses nicht mehr bestand? Warum blieb er bis heute versteckt? Warum hat er sein Erbe nicht angetreten?
Sie konnte sich keine Antwort auf ihre Fragen denken. Und doch: Sie mußte die Wahrheit herausfinden.
Doch zuallererst galt es den Schuster loszuwerden.
»Gut«, sagte sie daher, »bringen Sie die Stiefel hierher. Ich werde sie in Verwahrung nehmen und bezahlen.«
Sie erhob sich zum Zeichen, daß sie die Unterredung als beendet betrachtete. Ihr Besucher stand ebenfalls auf und sah einen Augenblick lang so aus, als hätte es ihm die Rede verschlagen.
»Hi … hierher bringen …« stotterte er. »Nein, nein, Miss. Ich meine, das geht nicht.«
Olivia hob überrascht die Augenbrauen: »Warum denn nicht?« wollte sie wissen. Langsam hatte sie wirklich genug von der Geheimniskrämerei dieses Schusters.
»Weil, weil die Stiefel, die sind ja noch nicht fertig. Wissen Sie, da ist noch eine Anprobe nötig. Ja, so ist es. Darum brauche ich Seine Lordschaft persönlich.«
Er wischte sich mit einem großen Taschentuch den Schweiß aus der Stirne. »Ja, dann«, meinte Olivia bedauernd und betätigte die Glocke. »Es tut mir wirklich leid, daß ich Ihnen nicht helfen konnte, Mr. Stevens. Doch leider ist mir der Aufenthaltsort von Lord Sudbury nicht bekannt.«
Der Butler erschien verdächtig schnell. Es hatte fast den Anschein, als habe er, seine Würde vergessend, an der Türe gelauscht. »Dann verabschiede ich mich jetzt wohl besser«, sagteMr. Stevens und verbeugte sich. »Verzeihen Sie mir bitte, daß ich Sie gestört habe.«
Er wollte unter weiteren Verbeugungen das Zimmer verlassen, als ihm noch etwas einfiel:
»Wenn Sie einmal, vielleicht ganz zufällig, Miss, die Adresse erfahren, ich meine … darf ich vielleicht in den nächsten Tagen noch einmal kommen und nachfragen, ob Sie vielleicht die Adresse in der Zwischenzeit erfahren haben?«
Olivia konnte sich nur wundern über die Hartnäckigkeit, mit der der Schuster sein Ziel verfolgte.
»Ich werde Seine Lordschaft von Ihrem Besuch informieren, sollte ich ihn treffen«, sagte sie. »Er wird Sie dann sicher aufsuchen.«
Damit mußte sich Mr. Stevens zufrieden geben. Er verbeugte sich abermals, und dann wurde er von Murphy zur Haustüre geleitet.
Es war zwei Tage später, als eine große, etwas altmodische Reisekutsche vor dem Haus von Lady Darlington am Grosvenor Square vorfuhr, vollbeladen mit Koffern und Hutschachteln. Olivia, die soeben in Begleitung von Lord Linham vom Hyde Park zurückritt, kam dieses behäbige Fahrzeug seltsam vertraut vor. Ein Blick auf das Wappen am Schlag bestätigte ihren Verdacht. »Ich muß mich jetzt leider von Ihnen verabschieden«, sagte sie, an ihren Begleiter gewandt. »Es scheint so, als wäre mein Vater nach London gekommen.«
Sie sprang behende aus dem Sattel und übergab die Zügel dem Stallknecht, der herbeigelaufen war. Dann reichte sie Linham die Hand. »Werden Sie heute abend den Ball im Vauxhall Garden besuchen?« erkundigte sich dieser.
»Ja, soviel ich weiß, hat meine Tante eine Loge gemietet« erklärte ihm Olivia. »Wir werden also höchstwahrscheinlich dort sein.«
Seine Lordschaft lächelte zufrieden, während Olivia sich umwandte, um zum Haustor zu eilen.
Als sie die Halle betrat, fand sie die Dienerschaft in Aufregung.Koffer wurden geschleppt, die Haushälterin ihrer Tante stand in der Mitte des Raumes und führte das Kommando. Der Butler eilte auf Olivia zu, um ihr Hut und
Weitere Kostenlose Bücher