Die Braut des Kreuzfahrers
hinauf, zog den Eimer hinter sich her und streckte einem der Kämpfer die Hand mit den Pfeilen entgegen.
» Her damit! « , rief eine bekannte Stimme. » Schlaft ihr alle, oder weshalb dauert das so lange? «
Wo hatte sie ihre Augen gehabt? Das war kein Mann, das war eine Frau. Yolanda hockte zwischen den Kämpfern auf dem Wall, hatte ein Kettenhemd über das Kleid gezogen, einen Helm aufgesetzt und verschoss einen Pfeil nach dem anderen. Sie tat es ohne Hast, folgte dem Ziel mit dem Bogen und ließ die Sehne erst vorschnellen, wenn sie ganz sicher war.
» Den Kopf runter, dumme Gans. Oder willst du einen Pfeil ins Gesicht bekommen? Einen feinen Helm hast du da ergattert. Schaust aus wie ein Kochtopf auf Beinen! «
Tiessa lag jetzt neben ihr, doch sie wagte kaum, den Kopf zu heben, denn der Anblick der heranstürmenden Männer war angsteinflößend. Einige von ihnen hatten Schleudern, mit denen sie kleine Steine über den Wall schossen, eine tödliche Waffe, denn die harten Geschosse drangen durch die Schädeldecke ins Gehirn ein.
» Wirf erst, wenn sie nahe genug heran sind « , befahl Yolanda.
Tiessa hatte gar nicht die Absicht gehabt, mit Steinen zu werfen, doch als mehrere dieser seltsam gekleideten braunhäutigen Teufel den Graben überwunden hatten und versuchten, den Wall zu erklimmen, fasste sie den ersten Stein und warf mit aller Kraft. Natürlich traf sie nicht, dafür prallte ein Pfeil gegen ihren Kopfschutz, zum Glück ohne weiteren Schaden anzurichten.
» Fester! So fest du kannst! Wenn sie es schaffen, sind wir verloren! «
Die Männer neben ihnen hatten sich jetzt aufgerichtet und warfen sich den Angreifern mit Schwertern und Lanzen entgegen. Rötlicher Staub wirbelte um die Kämpfenden, man vernahm drohende Rufe, das metallische Klingen von Schwertern, die aufeinanderschlugen, Röcheln, Todesschreie. Es schien ihr, als umwehe sie ein blutiger Nebel, der heiße Dunst des höllischen Feuers, in das man die Verdammten stürzte. Ohne zu wissen, was sie tat, warf sie einen Stein nach dem anderen, verzweifelt zwischen Wut und Entsetzen schwankend und zugleich voller Grauen über das, was um sie herum geschah.
» Sie kommen! Guido von Lusignan reitet voran, und der Montferrat ist ihm auf den Fersen! Der Graf von Perche ist dabei, die Lothringer und die Normannen! «
Es war höchste Zeit, denn etliche Sarazenen waren bereits ins Lager eingedrungen. Nun aber kehrte sich die Lage um. Die berittenen Kreuzritter, die von Akkon herüberkamen, stürzten sich auf Saladins Krieger, und auch die Fußkämpfer waren nicht mehr weit entfernt. Ihr Zorn war gewaltig, denn wieder einmal war es Saladin gelungen, sie an der Eroberung der Stadt zu hindern. Der Kampf dauerte bis zum Abend, man sah sogar den französischen König, der sich trotz seiner Krankheit daran beteiligte. Nur Richard Löwenherz bewegte sich nicht aus seinem Zelt, er rang auf seinem Lager mit dem Tod.
Tiessa blieb getreulich neben ihrer Herrin auf dem Wall, starrte auf die Kämpfenden und glaubte sich immer wieder in einem bösen Traum gefangen. Wie konnte es sein, dass dieses blutige Gemetzel Gott dem Herrn so wohl gefiel, dass er die Pilger dafür von allen Sünden erlöste?
Am Abend stolperte sie durch das Lager, wo die siegreichen Krieger um ihre Feuer saßen und sich in aller Seelenruhe über den Kampf unterhielten. Viele schmückten sich mit Waffen und Kleidern der getöteten Feinde, die man nackt ausgezogen hatte, andere verbanden ihre Wunden, wieder andere standen bei den Händlern und versuchten, die Beutestücke gegen Waren einzutauschen. Sie schluchzte auf vor Glück, als sie ihren Vater vor Yolandas Zelt entdeckte, und lief auf ihn zu, um sich in seine Arme zu werfen.
» Weshalb weinst du? Gott hat nicht gewollt, dass ich heute ins Paradies eingehe « , murmelte er zärtlich und presste sie an seine Brust. » Dafür hat er den Grafen von Perche aus diesem Leben abberufen und in sein ewiges Reich aufgenommen. «
24
W ährend der folgenden Tage herrschte im Lager der Christen eine immer stärker werdende Anspannung, die sich nicht selten in sinnlosen Streitereien Luft machte. Der Fall der Stadt schien in greifbarer Nähe, und mancher träumte schon von den Schätzen, die dort hinter den weißen Mauern auf ihn warteten. Angevinische Schiffe riegelten den Hafen von jeglicher Lebensmittelzufuhr ab, auch von Land her war für Saladins Kämpfer kein Durchkommen mehr, um Bewohner und Verteidiger mit Nahrung zu versorgen. Der Hunger
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