Die Braut des Kreuzfahrers
einfach so, dass wir beschlossen haben, nach Hause zu fahren. Und nichts und niemand wird uns daran hindern. Basta. «
Gottfried sah ein, dass seine Beredsamkeit nicht ausreichte, und er entließ seine beiden Ritter in Frieden, schenkte ihnen noch einen Teil seines eigenen Beutegutes und wünschte ihnen den Segen des Herrn auf ihrer Reise zurück in die Heimat. Es war ihm nicht besser ergangen als dem König Richard Löwenherz, der – so hatte man erzählt – mit Engels- und wohl auch Teufelszungen geredet hatte, um den Franzosen zum Bleiben zu bewegen, und der ebenfalls gescheitert war. Dies war für Gottfried zwar kein Trost, doch immerhin half es ihm gegen die quälenden Selbstzweifel.
In den Nächten lag er wach. Er glaubte, es sei die Hitze und die lästigen Insekten, die ihm den Schlaf raubten, doch in Wirklichkeit plagten ihn trübe Gedanken. Wie hätten sich Gilles von Chenet und Fulco von Villeneuve verhalten, wenn sein Vater Rotrou noch am Leben gewesen wäre? Gewiss wären sie dann nicht feige zurück in die Heimat geflüchtet, die starke Persönlichkeit des Grafen Rotrou hätte sie bewegt, ihm weiterhin im Heiligen Land Gefolgschaft zu leisten. Je weiter die Nacht voranschritt, desto düsterer erschienen Gottfried die Ereignisse. Nur wenige Tage nach dem Einzug des christlichen Heeres in Akkon hatte man die Kirchen wieder geweiht, sodass er gemeinsam mit vielen Kreuzfahrern die Sonntagsmesse in St. Andreas feiern konnte. Auf dem Rückweg hatten seine Knechte Ivo Beaumont beistehen müssen, der sich in einer schmalen Gasse mit allerlei Leuten herumprügelte. Es stellte sich heraus, dass ihn die Schläge nicht unberechtigt trafen, denn der Schelm hatte die Zeit, da viele fromme Ritter die Messe besuchten, dazu genutzt, sich an ihrem Beutegut zu bereichern. Zwei Maulesel warteten versteckt in einer Seitengasse, bepackt mit Säcken voller Kostbarkeiten: Gefäße, Lampen und Geschmeide, auch Gold- und Silbermünzen sowie ein Foliant mit schön eingelegtem Buchdeckel, den Gottfried für sich beansprucht hatte.
Er war gnädig mit ihm umgegangen, allzu gnädig, wie ihm jetzt bei längerem Nachdenken klar wurde. Anstatt ihn als Dieb anzuklagen, hatte er ihn nur gezwungen, alle Gegenstände herauszugeben, und ihn dann davongejagt. Ivo hatte ihn mit hasserfülltem Blick angestarrt, und was er leise vor sich hin murmelte, während die Knechte seine Maultiere abluden, waren ganz sicher keine Segenssprüche gewesen.
Darüber hinaus lag Gottfried auf der Seele, dass Gilbert Corniac, der ihm bisher treu gefolgt war, um Erlaubnis gebeten hatte, mit den Rittern ins Perche zurückkehren zu dürfen. Der alte Kämpfer war an einem hartnäckigen Fieber erkrankt und sehnte sich danach, in der heimatlichen Erde seine letzte Ruhestätte zu finden. Jean Corbeille hingegen, der nicht minder krank war, weigerte sich standhaft, das Heilige Land zu verlassen. Jean hatte eine harmlose Wunde am Oberschenkel unbeachtet gelassen, nun war das Bein entzündet, und es sah nicht gut für ihn aus. Tiessa pflegte den Vater mit großer Hingabe, und es tat Gottfried weh zu sehen, wie verzweifelt sie gegen das Unvermeidliche kämpfte. Er hatte das Gefühl, in ihrer Schuld zu stehen. War er nicht derjenige, der Unglück und Leid über diese junge Frau gebracht hatte? Starb ihre Mutter Corba nicht, nachdem sie Richenza geheilt hatte, so als hätte sie die Krankheit seiner Frau auf sich genommen? Und nun war es sein treuer Verwalter Jean, der ihm ins Heilige Land gefolgt war und hier mit dem Tode rang. Wenn Gott nicht ein Wunder tun wollte, dann würde Tiessa in wenigen Tagen auch ihren Vater verlieren und eine schutzlose Waise sein.
Er versuchte, die Erinnerung an jenen kurzen Augenblick süßester Versuchung von sich zu schieben, doch unwillkürlich verspürte er wieder jenen Sog, dem er fast erlegen war. Tiessa hatte ihm nicht widerstanden, als sie in seinen Armen lag. Er war sich fast sicher, dass auch sie die tückische Anziehung ihrer Körper fühlte und sich ihr hingab. Niemand hätte ihm verwehren können, die Magd Tiessa zu seiner Geliebten zu machen, selbst hier im Heiligen Land unterhielten die meisten Kreuzfahrer Liebschaften, das hatte er inzwischen längst bemerkt. Es wäre eine große Sünde gewesen, eine Unzüchtigkeit, die er zu Beginn der Kreuzfahrt weit von sich gewiesen hätte. Und doch hatte in diesem Moment, da er sie umschlungen hielt, nur eine Sekunde, ein Windhauch, eine knappe Bewegung gefehlt und die Flammen wären
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