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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilke Mueller
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in der Ferne helle Stimmen, meist aber verschluckte der Wald die Geräusche, und nur die Vogelrufe, das Rascheln der Tiere im Geäst und das leise Knarren der Bäume im Wind blieben übrig. Ein starker Duft nach pilziger Feuchte und Moder stieg aus dem Boden, auf gestürzten Stämmen wuchs dunkles Moos, Flechten rankten sich um abgestorbenes Geäst. Längst war alles Laub von den Bäumen gefallen, und zwischen dem dunklen Geflecht knotiger Äste war der taubenblaue Himmel zu sehen. Nur die wenigen Fichten und einzelne schlanke Wacholdersäulen trugen immerwährendes Grün.
    Bei Tag barg der Wald nur wenig Gefahren, denn Bären und Luchse scheuten die Menschen und zogen sich vor ihnen zurück. Doch niemand wollte in die Abenddämmerung geraten, wenn wilde Tiere und Dämonen hier umgingen. Seit alters her suchten die Geister der Finsternis Zuflucht in den dichten Wäldern des Perche, wo nicht einmal die Macht Jesu Christi sie bannen konnte.
    Obgleich Tiessa keine Angst hatte, fand sie es bedenklich, wie tief Ambroise sie in den Wald hineinführte. Doch der Knabe hatte gewiss recht, hier waren sie allein und brauchten keine missgünstigen Nachbarn zu fürchten. Es fanden sich zahlreiche Pilze unter dem Laub, die vom Regen groß und fleischig geworden waren. Eicheln und Kastanien waren dagegen nur wenige zu entdecken, die Wildschweine hatten sie bereits verzehrt.
    » Es hat keinen Zweck, Ambroise « , seufzte Tiessa. » Wir werden höchstens noch ein paar Bucheckern finden, aber auch die sind … «
    » Still! « , unterbrach sie der Junge und fasste ihren Arm.
    Er starrte mit weit aufgerissenen Augen ins Leere, während er lauschte. War das eine menschliche Stimme gewesen oder der Schrei eines Tieres? Gleich darauf vernahm man deutlich Hundegebell. Eine kläffende Meute lief durch den Wald, jetzt brach irgendwo Gezweig. Es klang gewaltsam, wie unter den Pranken eines Bären oder den Hufen eines Pferdes.
    » Was ist das? « , flüsterte Millie erschauernd. » Gott schütze uns vor dem Teufel und seinem Anhang. «
    » Es ist nicht weit entfernt « , murmelte Ambroise.
    Wieder knackten Zweige. Das Gekläff wurde lauter, und helle, winselnde Laute mischten sich darunter, dann die heisere Stimme eines Mannes.
    » Das wilde Heer am Ende « , stöhnte Millie. » Wo ist Jordan? Er schläft ahnungslos, sie werden ihn mit sich in die Lüfte reißen … «
    Doch Ambroise, der sonst so gern unheimliche Geschichten erdachte, war jetzt völlig klar im Kopf.
    » Das wird der Burgherr mit seinen Jägern sein. Laufen wir zum Waldrand hinüber, dort ist es sicherer. «
    » Jordan! « , kreischte Millie in heillosem Schrecken. » Jordan, wach auf und lauf davon! «
    Ambroise lud sich auch den halb vollen Sack mit Bucheckern und Kastanien auf, dann war er im Zwiespalt. Er wollte Tiessa nicht verlassen, doch Millie stürzte gerade auf die Gefahr zu, denn sie verging vor Sorge um Jordan.
    » Lauf schon vor, Tiessa! Ich hole Millie zurück und komme gleich nach. «
    Millie war erstaunlich schnell, sodass Ambroise Mühe hatte, sie einzuholen. Tiessa wartete einen Augenblick, dann wandte sie sich um und wollte seinem Rat folgen – da prallte sie erschrocken zurück. Dicht vor ihr brach ein Reh aus dem Unterholz, floh in weiten, angstvollen Sprüngen an ihr vorüber, überwand in hohem Flug einen umgestürzten Stamm und verschwand in einer Bodensenke. Ein weiteres folgte, größer und schwerer als das erste. Tiessa sah die weit aufgerissenen, schönen Augen des Tieres, spürte seine Todesangst und bewunderte zugleich die traumwandlerische Sicherheit, mit der das Tier zwischen Stämmen und Gestrüpp dahinflog. Sie hatte gerade noch Zeit, sich hinter einer breiten Eiche zu verbergen, dann preschte die Hundemeute heran, dem Wild dicht auf den Fersen.
    Ein Reiter tauchte auf. Die Hufe seines Pferdes wirbelten das feuchte Laub in die Höhe, und sein kurzer blauer Mantel flatterte um seine Schultern. Andere folgten ihm, die Jagdbögen gespannt, doch schon jetzt war klar, dass sie das Wild nicht mehr stellen würden. Die Pferde waren zu langsam. Sie hatten Mühe mit dem dichten Unterholz, und die Stämme standen hier zu eng beieinander.
    » Runter mit den Bogen! « , rief der Mann im blauen Mantel. » Da ist jemand hinter der Eiche! «
    » Schon wieder! Verdammte Weiber! Verscheuchen uns das Wild! «
    » Verschwinde, bevor wir dich mit einer Hirschkuh verwechseln! «
    Lautes Gelächter begleitete die Worte, es klang grob in Tiessas Ohren und

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