Die Braut des Kreuzfahrers
zu sitzen. Die Burgherrin habe er noch kein einziges Mal zu Gesicht bekommen. Man habe ihm jedoch erzählt, dass sie nicht auf der Burg, sondern in einem nahegelegenen Kloster lebe.
» Der Herr hat sie nach St. Cathérine zu den Nonnen bringen lassen, als seine Krankheit ausbrach « , erklärte Jean.
» Aber er ist wieder gesund – wenn auch noch Spuren der Krankheit zu sehen sind « , meinte Ivo vorsichtig. » Weshalb lässt er sie nicht zurück in die Burg führen? «
Niemand konnte es erklären, auch Jean nicht, der über fast alles droben in der Burg Bescheid wusste. Er bemerkte nur, dass die Burgherrin noch sehr jung sei, gerade vierzehn Jahre alt.
» Manche behaupten auch, dass sie sehr schön sei « , rief Jordan.
Ivo zuckte die Schultern und behauptete, es gäbe in diesem Raum ein Mädchen, das sich mit jeder Burgherrin an Schönheit leicht messen könne.
Er war von seinem Herrn neu eingekleidet worden und trug jetzt einen dunkelgrünen Rock mit kleinen, runden Knöpfen am Halsausschnitt, dazu hellblaue Beinlinge und Lederstiefel. Tiessa hatte rosige Wangen, wenn er bei ihnen saß, sie war zu Scherzen aufgelegt und lachte ein ums andere Mal. Erhob er sich jedoch, um Abschied zu nehmen, verspürte sie einen tiefen Schmerz, und das Gemach erschien ihr einsam und dunkel, wenn er fort war. Einmal hatte sie ihn zum Hoftor begleitet, um ihn dort zu verabschieden. Als er sich im Weggehen nach ihr umwandte, glaubte sie an seinem traurigen Blick zu erkennen, dass auch ihm die Trennung Kummer bereitete. Dann lief sie singend zurück ins Haus, trieb allerlei Schabernack mit Ambroise und der Mutter. Sobald sie aber in ihrem Bett lag und das Licht gelöscht war, versank sie in Kummer und schluchzte leise in die Polster hinein.
» Was ist los mit dir? « , wollte Corba wissen, denn ihr waren die wechselnden Stimmungen der Tochter nicht entgangen. » Bist du etwa verliebt in unseren Gast? «
» In Ivo? « , rief sie und tat empört. » Kein bisschen. «
Corba legte beide Hände auf Tiessas Schultern und sah ihr voller Sorge ins Gesicht.
» Du bist noch zu jung, Tiessa. «
» Was denkst du nur, Mutter! « , rief sie und schüttelte Corbas Hände ab.
Insgeheim aber fand sie, dass sie mit ihren siebzehn Jahren recht erwachsen war. Hatte man Richenza von Sachsen nicht verheiratet, als sie gerade mal vierzehn Jahre alt war? Aber gut – die Ärmste saß jetzt bei den Nonnen, und ihr Ehemann wollte nichts von ihr wissen. Sie musste sich schrecklich einsam fühlen, die Tochter des Welfen Heinrich.
Wenn auf Regen und Sturm ein paar sonnige Tage folgten, nutzte man die Gelegenheit, in den Wäldern Pilze, Kastanien und Bucheckern zu sammeln. Es war die Aufgabe der Frauen, die häufig ihre halbwüchsigen Kinder mitnahmen, denn die Kleinen hatten scharfe Augen und wetteiferten gern darin, wer die meisten Früchte entdecken und einsammeln konnte. In Gruppen zogen sie am frühen Morgen aus der Stadt zum Wald hinüber, schleppten Körbe und Säcke, um die Ernte zu bergen. Einige schoben leichte Karren vor sich her, und man spottete gutmütig, dass diejenigen, die allzu gierig seien, oft gar nichts heimbrächten. Auch Tiessa und Millie wurden verlacht, denn Corba hatte wie jedes Jahr angeordnet, dass Ambroise und Jordan sie begleiten mussten. Jordan war deshalb missmutig. Er fand die Arbeit mühsam, konnte die Pilze nicht auseinanderhalten und langweilte sich. Meist hockte er schon nach kurzer Zeit irgendwo unter einem Baum, den Rücken an den Stamm gelehnt, die Hände über dem Bauch gefaltet. Wenn die Frauen mit vollen Körben heimkehren wollten, bewarfen sie ihn mit Eicheln, um ihn aufzuwecken. Ambroise jedoch wich nicht von Tiessas Seite und trug alle Lasten für sie. Zu ihrer Überraschung kannte er die meisten Pilze recht genau. Er wusste sogar zu erzählen, dass in manchen von ihnen die Seelen armer Menschen schlummerten, die der Teufel verzaubert habe. Gute und böse seien darunter, deshalb müsse man sorgfältig hinschauen, um keinen Schaden zu nehmen.
» Hör auf mit diesem gottlosen Zeug, Ambroise! « , sagte Millie verängstigt. » Es ist schon unheimlich genug hier – beeilen wir uns mit der Arbeit, damit wir bald heimkehren können. «
» Es ist nur eine seiner Geschichten, Millie – niemand weiß, ob sie auch wahr ist. «
Die vielen Leute hatten sich rasch in den Wäldern zerstreut. Jeder suchte an anderer Stelle, damit man sich nicht gegenseitig störte oder gar ein Streit ausbrach. Manchmal vernahm man
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