Die Braut des Kreuzfahrers
dunklen Kammer verkrochen.
» Nicht aufbrechen. Ich komme schon … «
Die Herren waren ungeduldig und hatten trotz ihres Geschreis begonnen, die dicken Eichenbohlen mit Axtschlägen zu traktieren. Die Tür erbebte in ihren Angeln, und Tiessa brauchte eine Weile, bis es ihr gelang, den Riegel aufzuheben. Mehrere Bewaffnete stürzten in den dämmrigen Laden, einer von ihnen packte die Sklavin und schleuderte sie zu Boden, die anderen stürmten ins Haus, rissen Kisten und Körbe um und fegten die Arzneitöpfe von den Regalen. Man redete auf sie ein, zerrte an ihrem Haar, schüttelte sie, drohte ihr mit Fäusten und hielt ihr die blanke Schneide eines krummen Säbels vor die Nase.
Sie wusste nicht, wo der Herr war. Auch Chalif, den man aus einem großen Korb gezogen hatte, konnte trotz aller Prügel keine Antwort geben. Nur Esra und Musil verschmolzen mit der Dunkelheit in der Kammer und entkamen der gewaltsamen Befragung.
Die Schergen des Sultans leisteten gründliche Arbeit. Sie drehten jeden Kasten und jeden Korb um, hoben alle Polster auf, stachen mit ihren Säbeln in alle Säcke hinein. Sie wühlten unten in dem niedrigen Kellerraum herum und schlugen dort alles kurz und klein, durchforsteten die stinkende Grube und den Abfall hinter dem Haus. Auch das Herdfeuer wurde durchstochert, als könne sich dort ein ausgewachsener Mann vor seinen Verfolgern verbergen. Schließlich mussten sie einsehen, dass der Gesuchte nicht aufzutreiben war, und sie fielen erneut über Tiessa und Chalif her. Doch auch eine weitere Serie von Prügeln und Drohungen konnte den Arzt nicht herbeischaffen.
Als die bewaffneten Krieger das Haus endlich verließen, mussten sie sich durch eine neugierige Menschenmenge drängen, denn die Nachbarn waren herbeigelaufen, um das aufregende Ereignis mitzuerleben. Der eine oder andere brüllte den Schergen etwas zu, vielleicht hatte man Petrus Habakus irgendwo gesehen und erhoffte sich jetzt eine Belohnung für diese Nachricht. Tiessa rief Chalif zu Hilfe, um die Tür zuzuschieben, denn die ersten zudringlichen Nachbarn versuchten schon, den zerstörten Laden zu betreten. Beide mussten all ihre Kraft aufwenden, da die Tür von den Axtschlägen beschädigt war und schräg in den Angeln hing. Als sie endlich mit viel Mühe den hölzernen Riegel hinuntergeklappt hatten, sanken sie keuchend zu Boden. Chalif schluchzte – zu schnell und zu endgültig waren seine goldenen Träume zu Staub zerfallen.
Was tun? Was geschah mit den Sklaven eines Mannes, der vor dem Zorn des Sultans geflohen war? Vermutlich würde der Herrscher allen Besitz des Flüchtlings an sich nehmen, das bedeutete, sie gehörten von nun an dem Sultan.
Tiessa stolperte durch den verwüsteten Laden in die Küche, wo es nicht viel besser aussah. Esra und Musil waren inzwischen leise und mit großer Vorsicht aus ihrem Versteck gekrochen, in ihren Gesichtern malte sich Angst und starres Entsetzen.
» Arme Petrus Habakus « , flüsterte Esra. » Gute Mann. Gut Hakim. Schlechter Sultan. «
» Wenn sie ihn finden – er vielleicht in Kerker. Oder … «
Musil führte die flache Hand vor seinem Hals vorbei, und alle begriffen, was er damit meinte. Ein erfolgloser Arzt hatte am Hof des Sultans ein kurzes Leben. Chalif weinte wie ein kleines Mädchen und es war kaum noch zu unterscheiden, ob sein Gesicht von den Schlägen der Schergen oder vom Heulen so dick angeschwollen war.
Tiessa suchte in den zerschlagenen Tiegeln nach einem Rest Salbe und bestrich damit seine Beulen, auch sie selbst hatte ein geschwollenes Auge und einen Schnitt über den Handrücken davongetragen.
» Vielleicht ist es ihm ja gelungen, die Stadt zu verlassen, und er ist längst in Sicherheit « , mutmaßte sie.
» Allahu akbar – er kennt die Gerechten und wird unsern guten Herrn beschützen « , meinte Chalif.
» Gott der Herr wird auf seiner Seite sein « , befand auch Tiessa.
Schließlich – aber davon erzählte sie nichts – hatte er in seinem Leben schon viele Gefahren überstanden, er würde sich schon irgendwie aus dieser vertrackten Lage herauswinden.
Von Aufräumen konnte kaum die Rede sein, sie schoben die Trümmer ein wenig zusammen, suchten ein paar Dinge heraus, die noch brauchbar erschienen, und richteten es sich leidlich in der Küche ein. Tiessa grübelte darüber nach, ob sie in der Nacht versuchen sollte, aus Damaskus zu fliehen. Jetzt war die letzte Gelegenheit dazu, wenn sie erst Sklavin des Sultans war, würde man sie in die Zitadelle
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