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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilke Mueller
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eigentlich nur teuflisches Blendwerk sein, eine Widerspiegelung verbotener Träume, die ihn jetzt zu seiner Schande am helllichten Tag und bei klarem Bewusstsein ereilte.
    Indes blickte auch der Fremde mit großer Aufmerksamkeit zu ihm hinüber, und Gottfried kam langsam zu der Überzeugung, dass er weder verrückt war noch einen Traum vor Augen hatte. Es gab keinen Zweifel, sie war es. Mochte sie auch Ärzte und Spitaldiener täuschen und für einen jungen Mann gehalten werden – ihn, Gottfried, konnte sie nicht in die Irre führen. Er kannte ihre Augen, ihre Gesichtszüge, ihre Art zu sprechen, und selbst die Bewegungen ihres Körpers waren ihm vertraut.
    Tiessa verharrte eine Weile auf der Stelle, als sei sie unsicher, richtig gesehen zu haben, und Gottfried spürte nun das wilde Klopfen seines Herzens. Hatte sie ihn erkannt? Was sollte er tun, wenn sie sich umwandte, um wieder fortzugehen? Nach ihr rufen? Ihr nachlaufen, um sie aufzuhalten? Aber vielleicht gab es ja einen triftigen Grund für diese Verkleidung, und es war klüger, so zu tun, als kenne er sie nicht. Während er noch zwischen Angst und Hoffnung schwankte, machte sie plötzlich einige rasche Schritte in seine Richtung, hielt kurz inne, um ihrem Diener etwas mitzuteilen, und lief dann, ohne einen Umweg zu nehmen, auf ihn zu.
    » Seid gegrüßt, edler Herr « , sagte sie mit bemüht tiefer Stimme. » Man nennt mich Ali ben Jussuf, auch Alan de Rouen. Ich habe dieses Gewand gekauft und fand ein Zeichen darin … «
    Er war hingerissen von ihrer Vorstellung, dem verschmitzten Lächeln, der Selbstverständlichkeit und Grazie, mit der sie den jungen Burschen mimte, von ihrem Mut und ihrer Dreistigkeit. Er war ausgezogen, um eine Unglückliche zu trösten, eine Verzweifelte in seinen Schutz zu nehmen, doch was er gefunden hatte, war eine Gauklerin, die es faustdick hinter den Ohren hatte.
    » Mein Ge… das ist in der Tat mein Gewand. Wie kam es in deine … in Eure Hände? «
    Ein strafender Blick traf ihn ob des Versprechers, und er nahm ihn hin, obgleich kaum jemand in diesem Saal ihr Gespräch verstehen konnte.
    » Ein Trödler kaufte es von einer Wäscherin. Die wiederum hatte es hier im Spital erworben. «
    » Besser gesagt, sie hat es gestohlen! «
    » Das hatte ich gehofft … «
    Er furchte unwillig die Stirn, da ihm dieser Spott unnötig erschien. Dann erst erkannte er, wie ernst es ihr war.
    » Der Trödler sagte mir, dass er oft Gewänder vom Spital kaufe. Kleider, die dort liegen geblieben seien, da ihre Besitzer sie nicht mehr benötigten … «
    Sie sprach es nicht aus, doch er sah ihr an, welche Angst sie um ihn gehabt hatte, und widersinnigerweise erfüllte es ihn mit einem tiefen, warmen Glücksempfinden. Gleich darauf wurde er sich bewusst, dass er wie ein Landstreicher vor ihr saß, das Kopfhaar zerrauft, der Bart nur unvollständig geschoren, Gesicht und Körper bleich und von den ausgestandenen Schmerzen gezeichnet. Auch der zerschlissene Burnus musste einen jämmerlichen Eindruck abgeben – ein Wunder, dass sie ihn überhaupt erkannt hatte.
    » Was ist mit Euch geschehen? « , unterbrach sie seine Betrachtungen.
    » Nichts Ungewöhnliches, verehrter Ali ben Jussuf « , versuchte er zu scherzen. » Ich habe mir im Kampf gegen eine Räuberbande ein paar Löcher und Schrammen eingehandelt. Inzwischen geht es mir jedoch besser. «
    » Ihr seid geheilt und könnt das Spital verlassen? «
    Sie blickte ihn hoffnungsfroh an. Was hatte sie vor? Wo lebte sie? Und vor allem: mit wem? Plötzlich durchfuhr ihn der Gedanke, sie könne einem reichen Sarazenen als Sklavin angehören, sein Liebchen sein, dem Muselman den Kopf verdreht haben, und eine heiße, schmerzhafte Eifersucht wuchs in ihm empor. Sie war gesund und munter, es schien ihr recht gut zu gehen.
    » Ihr brachtet mir mein Gewand zur rechten Zeit, Ali ben Jussuf. Oder soll ich lieber Alan de Rouen zu Euch sagen? Wie kann ich Euch danken? «
    Sie spürte seinen Spott und die Bitterkeit, die sich dahinter verbarg, und ihr frohes Lächeln verschwand.
    » Ich bin Euer Diener, Gottfried von Perche « , sagte sie und verneigte sich vor ihm. » Wenn Ihr befehlt, dann werde ich Euch zu einem Ort führen, an dem Ihr die Nacht verbringen könnt. «
    » Und wo wäre das? « , fragte er streng.
    » Ein Haus, nicht weit von hier. «
    Er überlegte, dass sie wohl nicht in dieser Verkleidung auftreten würde, wenn sie das Liebchen eines Sarazenen wäre, und er schämte sich ob seines Verdachts. Er

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