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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilke Mueller
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geritten, vielleicht sogar an ihrem Anwesen vorbeigekommen und sie hatte geschlafen, nichts davon geahnt. Weshalb hatte er ihr nicht wenigstens ein Zeichen hinterlassen? Eine Nachricht in einen Stein geritzt? Einen Gegenstand, der ihm gehörte, auf die Schwelle gelegt. Ein Tuch? Eines der kleinen Schachfigürchen?
    Wenn sie in der Nacht nicht schlafen konnte, stellte sie sich sein Gesicht vor. Sie versuchte, sich an jede Einzelheit zu erinnern, und war glücklich, wenn es gelang. Wollten seine Züge jedoch nur undeutlich vor ihr aufsteigen, dann weinte sie in die Polster hinein.
    Sie hatte vierzehn Kerben eingeschnitten, als der Vater am Abend ungewöhnlich schweigsam heimkehrte. Er hatte mit dem Burgherrn eine lange Liste von Einkäufen abgehandelt, vor allem Dinge, die die junge Burgherrin begehrte und für deren Erwerb Jean auf den Herbstmarkt nach Mortagne reisen sollte. Doch das war nicht der Grund für seine düstere Stimmung.
    » Er hat uns belogen, Corba. Nicht wegen seines Bruders hat er Alençon verlassen – er hat dort die Tochter eines Hofmannes verführt, es heißt sogar, er habe ihr Gewalt getan. Die Familie des Mädchens hat ihn gefangen gesetzt, ein Wunder, dass er nicht erschlagen wurde. Seine Mutter und sein Bruder mussten viel Geld aufbringen, um ihn loszukaufen. «
    Tiessas Verstand weigerte sich zu begreifen, von wem die Rede war. Das konnte nicht Ivo sein, sie musste falsch gehört haben. Ivo war kein Verführer, niemals würde er eine Frau mit Gewalt nehmen. Ivo wollte um sie anhalten.
    » Das glaube ich nicht! «
    Jean schüttelte traurig den Kopf und sah zu Corba hin, die voller Mitleid den Arm um die Tochter legte.
    » Es ist die Wahrheit, Tiessa « , fuhr er mit leiser Stimme fort. » Der Burgherr selbst hat es mir mitgeteilt, er hat Boten nach Alençon geschickt und dort von der Geschichte erfahren. Gottfried von Perche ist ein kluger Mann, der andere Menschen durchschauen kann. Wir sollten ihm danken, dass er uns rechtzeitig gewarnt hat. «
    » Dankbar? Für solche Lügen? «
    Tiessa wand sich zornig aus den mütterlichen Armen und überschüttete die Eltern mit Vorwürfen. Wie man so leichtfertig Verleumdungen glauben könne! Ivo habe das Recht, gehört zu werden, sich zu verteidigen, alles richtigzustellen. Sie glaube an ihn. Er würde kommen und allen beweisen, dass diese Behauptungen nichts als pure Lügen seien.
    Schließlich schnappte ihre Stimme über, und sie begann hilflos zu schluchzen. Sie lief die Stiege hinauf und verkroch sich in ihrem Bett. Als die Mutter leise hereinkam, um sie zu trösten, drehte sie sich zur Wand. Auch den dampfenden Kräutersud im Becher rührte sie nicht an.
    » Geh! Lass mich in Ruhe! «
    Oh, wie sie alle hasste! Millie, auf deren Gesicht sie hämische Befriedigung zu sehen glaubte, Jordan, der behauptete, es ja gleich gewusst zu haben, den Vater, der so bekümmert ausgesehen hatte und doch von Ivos Schuld überzeugt war. Auch die Mutter, die sie ständig trösten wollte, anstatt an Ivos Unschuld zu glauben.
    Am allermeisten aber hasste sie den Burgherrn. Wie kam er dazu, Spione auszusenden, um Ivo zu verleumden? Gottfried von Perche allein war schuld an ihrem Unglück, und sie wünschte nichts mehr, als dass er die Flammen des Höllenfeuers schon auf Erden zu spüren bekam.

9
    I vo kehrte vier Tage später nach Nogent-le-Rotrou zurück. Es war ein kühler Tag, der Wind blies von Westen herüber, und die kahlen Zweige der Weide neben dem Hoftor beugten sich tief herab. Tiessa erspähte die Reiter vom Dachbodenfenster aus, wo sie seit Tagen in jeder freien Minute stand und sich den Hals verrenkte.
    Endlich! Er hatte nur achtzehn Tage gebraucht. Wie sehr er zur Eile getrieben hatte, konnte man an den verdreckten Kleidern der Männer und an der Erschöpfung der Pferde erkennen, die mit gesenkten Köpfen und müden Schritten durch den Ort stolperten.
    Sie hatte Glück, denn die Mutter war zu einem Kranken gerufen worden und der Vater noch im Auftrag des Burgherrn unterwegs. Hastig lief sie die enge Stiege hinunter. Millie und eine der Mägde standen in der Küche, um die Abendmahlzeit vorzubereiten, doch in dem dämmrigen, verräucherten Raum achtete niemand auf Tiessa, die mit eiligen Schritten auf den Hof hinausging.
    Ivo hatte auf das Anwesen zugehalten und lenkte eben sein Pferd durch das Palisadentor, als sie ihm mit flatterndem Kleid und wehendem Haar entgegenlief. Er zögerte einen kleinen Augenblick, vermutlich fürchtete er, die Nachbarn

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