Die Braut des Kreuzfahrers
wahre Pilger den Weg zum Heiligen Land auf den eigenen Sohlen zurücklegten. Sie schritten munter voran. Da sie eifrig darauf bedacht waren, das Heilige Land so rasch wie möglich zu erreichen, waren sie kaum ein Grund für Verzögerungen. Auch die Knappen und Mägde, die auf Maultieren ritten und die Packtiere an Leinen führten, hielten sich gut. Ärger gab es nur immer wieder mit den Ochsenwagen, in denen die Ehefrauen und Dienerinnen reisten. Mal blieben sie in der Fahrrinne stecken, mal brach die Achse oder ein Rad. Dann mussten die Insassen aussteigen, damit man das Gefährt flicken konnte, die Damen benötigten ihre Zelte zum Schutz vor der Witterung und tausenderlei andere Dinge, die sie mit sich führten. Gottfried von Perche hatte sich von Anfang an darüber geärgert, dass man Frauen mit ins Heilige Land nahm, doch einige der Ritter waren von Adel und nicht ohne Einfluss – er hatte ihnen nicht verbieten können, ihre Ehefrauen mit sich zu führen. Zwei der Damen waren bei guter Gesundheit und konnten zu Pferd reisen, zwei andere jedoch waren schwanger und die älteste zu gebrechlich, um auf ein Ross zu steigen. Daher wurden sie in Wagen gefahren, die durch Korbgeflecht und Planen vor dem Wetter und ungebetenen Blicken geschützt waren. Zu allem Unglück hatten sich kurz vor der Abreise auch zwei Nonnen eingefunden, die von den Damen in die Wagen aufgenommen wurden. Dazu musste man die Mägde rechnen, die die Damen zu ihrer Bedienung benötigten, und das Gepäck. Obgleich die Frauen weder Waffen noch Rüstung mit sich führten, hatte jede von ihnen zahlreiche Bündel und Kästen nötig, die mehr wogen als die Ausrüstung eines Ritters. So musste die Nachhut, die aus einer großen Gruppe Reitern bestand, immer wieder Halt machen. Mal hatte eine der Damen ein Bedürfnis, mal war ein Gegenstand herabgefallen, dann wieder verspürte eine der Frauen den Wunsch, mit einer der Bäuerinnen zu sprechen, die am Wegrand standen und den Kreuzfahrern eine Kanne mit frischer Milch oder ein Brot reichten.
Man war Mitte Februar aufgebrochen, als der Wind noch Schneeflocken über das Land trieb und die Kälte auf Wiesen und Äckern weißliche Frostgespinste blühen ließ. Dann war es wärmer geworden. Die Wege tauten auf, und die hölzernen Räder der Wagen versanken in den aufgeweichten Fahrrinnen. Weite Strecken führten durch unbekannte Wälder. Dort mussten am Abend Bäume gefällt werden, um Unterstände zu bauen und Platz für die Zelte zu schaffen, in denen man die Nacht verbrachte. Das große Zelt für die adeligen Frauen wurde stets abseits der anderen errichtet. Es musste von einigen Knechten bewacht werden, denn man hatte große Furcht vor Räubern oder wilden Tieren.
Gottfried von Perche gönnte seinen Kreuzfahrern keinen Ruhetag. Er hatte sich vorgenommen, in nur vier Wochen die Stadt Lyon zu erreichen, wo man eine neue, große Kathedrale erbaute. Dort wollte Gottfried mit den Kreuzfahrern eine kurze Rast einlegen, damit vor allem die müden Pferde sich erholen konnten. Die Weiterreise das Rhonetal abwärts bis Marseille würde dann – mit dem Segen Gottes – nur noch zwei Wochen dauern.
Er hatte jedoch einsehen müssen, dass auch eine Reisegesellschaft wie die seine, die doch für ein gottgefälliges Ziel unterwegs war, von missliebigen Zwischenfällen nicht verschont blieb. Schon wenige Tage nachdem sie in Nogent aufgebrochen waren, hatten sich einige junge Burschen mit Pferd und Gepäck davongemacht. Entweder war ihnen die Fahrt gar zu beschwerlich und langweilig erschienen, oder sie hatten von Anfang an nur vorgehabt, sich auf diese hinterhältige Art Pferd, Waffen und andere Güter zu erschleichen. Diese letzte Vermutung traf Gottfried ganz besonders, denn er war sicher gewesen, jeden einzelnen Kämpfer gründlich geprüft zu haben. Es war wohl sein Hochmut gewesen, der ihn in die Irre geführt hatte. Nur Gott allein konnte in die Herzen der Menschen sehen.
Er bemühte sich redlich, seinen Mitstreitern ein gutes Vorbild zu geben. Täglich sprach er zu den Kreuzfahrern, ermutigte sie, hielt ihnen das große Ziel vor Augen und erinnerte sie daran, dass alle Unbill dieser Fahrt dazu beitrug, die Last ihrer Sünden von ihnen zu nehmen. Auch sah er streng darauf, dass die Ritter sich nach den Regeln der Kreuzfahrt verhielten. Nicht schwören oder fluchen, nicht spielen, keinen Prunk mit kostbaren Gewändern oder Pelzen treiben, einfache Mahlzeiten zu sich nehmen und vor allem keinen Umgang mit Frauen
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