Die Braut des Kreuzfahrers
einigen Gebäuden, auch auf den Türmen der Stadtmauern wehten bunte Standarten im Wind. Wie ein Haken krümmte sich die befestigte Stadt um den Hafen und schützte ihn nach Süden und Westen hin vor den Unbilden des Meeres. Auch in nördlicher Richtung zog sich eine Mole quer über die Bucht, um die Wellen zu brechen und das runde Hafenbecken zu sichern. Der Wind, der die Schiffe seit Tagen rasch vorangetragen hatte, schien den Kreuzfahrern auch jetzt gewogen, das Manöver zur Hafeneinfahrt gelang den Seeleuten ohne Schwierigkeiten. Jubel erhob sich an Bord, als die Schiffe auf das Hafenbecken zuhielten. Viele Reisende fielen sich in die Arme, andere schwenkten Tücher zum Kai hin, wieder andere sanken still auf die Knie und dankten Gott für die sichere Ankunft.
Trotz der abendlichen Stunde herrschte Betriebsamkeit im Hafen von Tyros. Galeeren und breite Handelsschiffe lagen dort vor Anker, bunt gewandete Männer und Frauen liefen zwischen aufgestapelten Warenballen, Fässern und Kisten herum, Händler trieben beladene Maulesel voran, kleine Buben prügelten sich und bewarfen einander mit Erdklümpchen. Die Stadt der Kreuzritter war voller Leben, man schien dort sorglos im Überfluss zu schwelgen. Gott hatte das Werk seiner Pilger gesegnet.
Erst als die Seeleute zu fluchen begannen, wurde man auf die dicke Eisenkette aufmerksam, die quer über den Hafeneingang gespannt war. Es gelang gerade noch rechtzeitig, die Fahrt zu verlangsamen. Ratlosigkeit herrschte auf den Schiffen, dann endlich sah man eine Gruppe Männer, die über die Mole bis nahe an das Schiff herankamen. Es waren Kämpfer in Wehr und Waffen, darunter ein Templer im weißen Habit, der das Schwert am Gürtel trug. Sie wurden von bewaffneten Knechten begleitet, und ihre Mienen sahen nicht so aus, als empfänden sie große Freude über die Ankunft der Kreuzfahrer.
Woher man käme und in welcher Absicht, wollten sie wissen.
Gottfried von Perche begriff wohl, dass die christlichen Ritter in Tyros Vorsicht walten ließen, denn unter der Fahne des Kreuzes hätten sich auch betrügerische Sarazenen in die Stadt einschleusen können. Also gab er bereitwillig Auskunft.
» Gottfried von Perche? Seid Ihr Vasall des französischen Königs? «
» Das bin ich allerdings. «
Die Ritter berieten sich – einige schienen Bedenken zu haben, andere widersprachen. Das Perche stehe treu zu Philipp August.
» Sagt, wie Ihr es mit dem englischen König haltet, Ritter von Perche. Seid Ihr ein Freund von Richard Plantagenet? «
Verwunderung machte sich auf dem Schiff breit. Wer die Frage nicht verstanden hatte, dem wurde sie leise wiederholt, und man schüttelte die Köpfe. Waren sie nicht allesamt als Pilger und Kämpfer gekommen, um die Heilige Stadt zu befreien? Richard genauso wie Philipp?
» Wir sind dem Aufruf von Papst Gregor VIII . gefolgt und entschlossen, alle Streitigkeiten zu vergessen, um unsere Kraft ganz und gar der Sache des Kreuzes zu widmen. «
Gottfrieds Antwort schien die Ritter wenig zu überzeugen, die Beratungen wurden wieder aufgenommen. Bangen Herzens warteten die Kreuzfahrer auf dem Schiff, was nun geschehen würde. Keiner von ihnen konnte begreifen, dass man ihnen jetzt, nachdem sie solche Mühsal auf sich genommen hatten, um das Heilige Land zu erreichen, die Einfahrt in die Stadt verwehren wollte. Auch die Seeleute waren aufgeregt und versuchten, den Rittern drüben auf der Mole in ihrer Sprache deutlich zu machen, dass sie wenig Lust hätten, außerhalb des sicheren Hafens vor Anker zu gehen.
» Gottfried von Perche? « , rief der Tempelritter, der die gewölbten Hände rechts und links des Mundes hielt, damit seine Stimme leichter zum Schiff hinüberschallte. » Seid Ihr ein Verwandter des Grafen Rotrou von Perche, der drüben vor Akkon kämpft? «
» Sein ältester Sohn! «
Jetzt lösten sich die strengen Mienen, und die Herren lachten befreit, der Tempelritter breitete die Arme aus, sodass sein weißes Gewand flatterte. Er schien den Übrigen zu erklären, dass er es ja gleich gewusst habe.
» Seid uns willkommen, edle Herren! «
Ein Boot wurde herbeigerudert, mehrere Sklaven hoben das Ende der Kette von einem breiten, gemauerten Pfosten und öffneten die Hafeneinfahrt, um die Schiffe der neu Angekommenen hindurchfahren zu lassen. Hinter ihnen schloss sich die Sperre wieder – kein Schiff sollte ohne Erlaubnis der Garnison die Stadt anlaufen.
Gottfried von Perche hatte sich den Augenblick, da sein Fuß das Heilige Land betrat,
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