Die Braut des Kreuzfahrers
wohl feierlicher vorgestellt. Er hatte niederknien und den Boden küssen wollen und sich vorgenommen, seine Pilger um sich zu versammeln und den Kaplan ein Gebet sprechen zu lassen. Doch das Gewimmel am Kai war allzu lärmend. Weiber und Kinder, Sklaven, Händler, herrenlose Hunde und auskeilende Maultiere umringten die Neuankömmlinge. Zu seinem Ärger verloren sich etliche seiner Pilger sogleich in der Menge, um Früchte, frisches Brot oder Zuckerwerk zu kaufen. Nur ein kleiner Teil folgte dem Grafen in eine der Kirchen, um dort ein Dankgebet zu sprechen, der Ritter zu gedenken, die auf der Fahrt ihr Leben gelassen hatten, und Gottes Segen für das Gelingen des Kampfes zu erflehen.
Auf dem Weg durch die Gassen staunten die Kreuzfahrer über die orientalische Pracht einiger Häuser, die fremdartigen, heidnisch anmutenden Waren in den Läden, vor allem aber über die Kleidung der einheimischen Christen, die ganz und gar dem Schnitt der muselmanischen Gewänder entsprach. Die Kirche war kostbar ausgestattet und erweckte die Bewunderung aller, obgleich ihnen vieles dort fremd erschien, wie die ineinander verschlungenen weißen Linien auf blauem Grund, die ein Ornament, aber auch eine Schrift sein konnten. Am Ausgang erwartete sie ein Priester, der sie mit großer Herzlichkeit willkommen hieß und sie zugleich darauf aufmerksam machte, dass es üblich war, bei der Ankunft im Heiligen Land der Kirche eine Spende zu geben. Gottfried und seine Begleiter zeigten sich freigiebig und wären wohl noch eine Weile im Gespräch mit dem Priester verblieben, wenn nicht der Kapitän am Eingang der Kirche erschienen wäre.
» Herr, wir müssen noch heute Eure Pferde und Lasten aus den Schiffen laden. Ich habe neue Fracht bekommen und will schon in drei Tagen wieder lossegeln. «
Als man zum Hafen zurückkehrte, waren die Seeleute schon mitten in der Arbeit. Gepäck, Zelte, Sättel, Waffen und Vorräte stapelten sich am Kai, daneben hatte man die armen Pferde festgebunden, die mit zitternden Beinen und hängenden Köpfen dastanden, die Bäuche von den Schlingen aufgescheuert und dennoch froh, der Dunkelheit des Schiffes endlich entronnen zu sein. Etliche von ihnen hatten die Reise nicht überlebt. Man hatte die Kadaver ins Meer geworfen, wo sie noch eine Weile an der Oberfläche trieben, bis sie den Blicken der Reisenden entschwanden. So mancher Ritter würde entweder zu Fuß gehen oder sich hier im Heiligen Land ein Pferd kaufen müssen.
Es war nicht allzu schwer, Gepäck und Rösser unterzubringen, denn von allen Seiten drängten sich Leute herbei, die Unterkünfte und Ställe vermieten wollten. Außerdem gab es Händler, die Futter für die Pferde, Quartiere für adelige Herren und Damen oder auch Tavernen empfahlen, wo die Pilger bei gutem Wein die Unbilden der Reise vergessen konnten. Die Preise wurden in allerlei Währungen gefordert, mal in arabischen Münzen, dann wieder in byzantinischen Besants, aber auch andere Geldstücke wurden genannt, sodass man lange fragen musste, um herauszubekommen, wie viel man ausgeben musste. Eines jedoch wurde bald klar: Alles war viel teurer, als man zu Beginn der Fahrt geglaubt hatte.
Die Ritter der Garnison schienen sich wenig um die neuen Kreuzfahrer zu kümmern. Man erfuhr nur, dass Konrad von Montferrat, der Herrscher von Tyros, nicht in der Stadt weile. Vor einigen Wochen, Mitte April, sei Philipp von Frankreich mit seinem Heer in Tyros eingetroffen, und Konrad von Montferrat habe den französischen König nach Akkon begleitet, um dort gemeinsam mit ihm an der Belagerung der Stadt teilzunehmen. Der englische König Richard weile jedoch immer noch auf der Insel Zypern, die er inzwischen ganz und gar erobert habe – nur Gott allein wisse, wann Richard gedenke, die mutigen Ritter vor Akkon endlich zu unterstützen.
Spät in der Nacht, als für alles gesorgt war, suchte Gottfried von Perche endlich das Haus auf, das er für sich und seine engsten Getreuen gemietet hatte. Die meisten Ritter hatten sich auf eigene Faust Quartiere gesucht. Vor allem diejenigen, die ihre Ehefrauen mit sich führten, waren froh, einige Nächte ungestört zu bleiben und orientalisches Wohlleben zu genießen. Wer ohne Eheweib auf die Fahrt gegangen war, der würde – so hoffte Gottfried – die Nächte in frommer Enthaltsamkeit verbringen, doch er fürchtete, dass nach der langen Seereise nicht wenige seiner Männer zu den Huren gehen würden. Unter den Leuten, die in Gottfrieds Quartier wohnten, war sein
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