Die Braut des Normannen
aussichtslos, und sie zeigte ihm nur ihre Schwäche, wenn sie sich gegen ihn wehrte.
»Habt Ihr Eure Besitztümer hier im Kloster, Nichola?«
Diese so beiläufig gestellte Frage überraschte sie. Sie nickte, bevor sie sich eines Besseren besinnen konnte. »Warum wollt Ihr das wissen?«
»Ich bin ein praktisch veranlagter Mann«, entgegnete er. »Das erspart uns Zeit, und wir können direkt von hier aus nach London aufbrechen. Haltet Eure Sachen bereit, oder ich werde sie hierlassen. Sobald mein Freund wieder auf den Beinen ist, machen wir uns auf den Weg.«
Seine Überheblichkeit machte sie noch wütender. »Ich werde nirgendwo hingehen.«
»O doch, das werdet Ihr.«
Sie schüttelte den Kopf so heftig, daß der Schleier, der ihr Haar bedeckte, zur Seite rutschte. Noch bevor sie ihn wieder zurechtrücken konnte, riß Royce ihn ihr ganz vom Kopf.
Nicholas schimmernde blonde Haarflut löste sich und fiel ihr fast bis zur Taille – dieser umwerfende Anblick raubte Royce den Atem.
»Nur Nonnen tragen Schleier, Nichola, und Ihr seid keine Nonne, nicht wahr?«
»Es war eine Notlüge, Gott wird das verstehen. Er ist auf meiner Seite, nicht auf Eurer.«
Diese absurde Behauptung brachte ihn zum Lachen. »Und wie, bitte, kommt Ihr zu diesem Schluß?« fragte er amüsiert.
Lachte er sie etwa aus? Nein, das konnte nicht sein – normannische Ritter waren keiner menschlichen Regung fähig. Sie lebten nur, um zu töten und Land zu erobern, das zumindest hatten ihr ihre Brüder erzählt. Und der Grund für diese Haltung war ganz einfach: Die feindlichen Soldaten folgten einem Herrscher, der eher einem Ungeheuer als einem menschlichen Wesen glich.
»Wieso seid Ihr überzeugt, daß Gott auf Eurer Seite ist?« hakte er nach, als sie beharrlich schwieg.
»Ich bin Euch entkommen, oder nicht? Das, Baron ist Beweis genug, daß er zu mir hält. Ich bin hier in Sicherheit.«
Gegen diese seltsame Argumentation konnte er nichts vorbringen. »Ihr seid in Sicherheit – für den Augenblick«, stimmte er ihr zu.
Sie belohnte ihn mit einem Lächeln, bei dem die reizenden Grübchen in ihren Wangen zum Vorschein kamen. »Ich bleibe hier, solange ich will«, prahlte sie. »Ihr könnt mir glauben, daß ich diesen geweihten Ort nicht verlasse, bis sich Eure Invasion als Fehlschlag erwiesen hat und Ihr Euch nach Hause, wohin Ihr gehört, zurückgezogen habt.«
»Diese Invasion ist kein Fehlschlag, Nichola. Wir haben England eingenommen, mit dieser Tatsache müßt Ihr Euch abfinden, dann wird alles viel leichter für Euch. Ihr seid bereits erobert worden.«
»Ich werde niemals erobert.« Die hochmütige Behauptung wurde von dem schrillen Unterton in ihrer Stimme Lügen gestraft, und das blieb von Royce nicht unbemerkt. Dieser ungehobelte Kerl hatte die Stirn zu lächeln. Nichola straffte die Schultern, um ihm ihre Entschlossenheit zu zeigen.
Royce drückte kurz ihre Hand und ließ sie endlich los. Nichola wandte sich ab, aber er umfaßte mit einer raschen Bewegung ihr Kinn, zwang sie, ihm in die Augen zu sehen, und beugte sich dicht über sie. »Macht mir nie wieder Unannehmlichkeiten, Nichola«, flüsterte er so bedrohlich, daß sie zutiefst erschrak. Sie stieß seine Hand weg und wich zur Seite, so daß Royce einen ungehinderten Blick auf ihren Bruder hatte.
»Meint Ihr wirklich, daß es mich kümmert, ob Ihr meinetwegen Unannehmlichkeiten habt?« fragte sie. »Mein Bruder ist dem Tode nahe, und das nur wegen Eures gierigen, machthungrigen Herrschers. Wenn Euer William England in Ruhe gelassen hätte, wäre Justin nicht verstümmelt worden.«
Royce wandte seine Aufmerksamkeit dem Krankenbett zu. Er erkannte auf den ersten Blick, daß der angelsächsische Soldat tatsächlich mehr tot als lebendig war. Sein Gesicht war weiß wie die Bettlaken, und Schweißperlen standen auf seiner fiebrigen Stirn. Sein Haar war ebenso blond wie das von Nichola, aber das war auch schon die einzige Ähnlichkeit zwischen Bruder und Schwester.
Royce konnte Justins Verletzung nicht sehen, da der große junge Mann vom Hals bis zu den Füßen zugedeckt war.
Er musterte das junge Gesicht eingehend und fühlte sich plötzlich müde. Die Angelsachsen schickten also schon Kinder in den Kampf, dachte er kopfschüttelnd. Der Schlaf des Jungen war unruhig – offensichtlich beherrschten Dämonen seinen Alptraum, und Royce blieb nicht unberührt von der schrecklichen Qual, die Nicholas Bruder durchlitt.
Nichola erkannte Mitgefühl in Royces Augen, obwohl er
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