Die Braut des Normannen
überrollte.
Wenn ein Mann eine Vorliebe für blauäugige Nymphen hatte, dann wäre Nichola sicherlich seine erste Wahl, aber, so redete sich Royce ein, er bevorzugte ja etwas ganz anderes. Schon im nächsten Moment wußte er, daß er sich selbst belog, und gab sich geschlagen. Zur Hölle, er konnte sich nicht damit begnügen, sie für den Rest seiner Tage anzustarren und auf mehr zu warten.
Ihr Mund war zu verführerisch, um Royces Seelenfrieden nicht zu gefährden, und er konnte an nichts anderes denken als daran, wie er wohl auf seinen Lippen schmecken würde. Nur seine eiserne Selbstbeherrschung bewahrte ihn davor, Nichola an sich zu reißen und an Ort und Stelle die Antwort auf diese Frage zu finden. Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen, und zwang sich, die Frau mit einem finsteren Blick einzuschüchtern. Trotz war unter gewissen Umständen schön und gut, aber jetzt war er fehl am Platz. Nur Angst bewirkt Vorsicht, und Nichola hatte schon genug angerichtet – es wurde Zeit, daß sie die Waffen streckte. Er war fest entschlossen, ihr klarzumachen, wen sie vor sich hatte. Schließlich war er der Eroberer und sie die Beute, und je früher sie diese Tatsache begriff, desto leichter würde sie ihr zukünftiges Leben ertragen können.
Royce war dafür prädestiniert, jemandem Angst einzujagen, und üblicherweise half ihm die entstellende Narbe in seinem Gesicht dabei.
Seltsamerweise schien jedoch bei dieser Frau alles zu versagen. Ganz egal, wie drohend er sie anfunkelte, sie wich kein Stück zurück. Ihre Haltung beeindruckte ihn, auch wenn er das nicht gerne zugab. Er trat noch einen Schritt vor, bis seine Stiefelspitzen ihre Schuhe berührten – noch immer rührte sie sich nicht vom Fleck. Sie hatte den Kopf weit zurückgeneigt, um seinem Blick unverwandt standhalten zu können, und wenn er es nicht besser gewußt hätte, dann hätte er geschworen, daß ihre Augen blitzten.
Wagte sie es etwa, sich über ihn lustig zu machen?
Nichola hatte Schwierigkeiten, sich auf das Atmen zu besinnen. Im Grunde war sie wütender auf sich selbst als auf den Krieger, der sie so zornig anstarrte. Dieser Normanne weckte unerklärliche Empfindungen in ihr, und sie konnte nicht aufhören, ihn anzusehen. Er hatte wundervolle graue Augen, aber daß sie sich überhaupt die Zeit nahm, das zu bemerken, ging weit über ihren Verstand.
Er wollte ihr Angst einjagen, doch das würde sie auf keinen Fall dulden. Der Ritter sah wirklich gut aus – der Teufel sollte ihn holen und sie auch, weil es ihr aufgefallen war. Was war nur los mit ihr? Er war doch ihr Feind, und sie sollte ihn hassen, oder etwa nicht?
Offensichtlich bereitete es ihm keinerlei Mühe, sie zu hassen – seine finstere Miene drückte reine Abscheu aus. Sie straffte ihren Rücken.
»Ich hätte Euch töten sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte«, fauchte sie.
Er zog eine Augenbraue hoch. »Wann soll das gewesen sein?« erkundigte er sich spöttisch.
»Als ich mit der Steinschleuder auf Euch zielte und Ihr das Bewußtsein verloren habt.«
Er schüttelte ungläubig den Kopf.
Sie nickte. »Ich habe genau gezielt«, brüstete sie sich. »Ich wollte Euch brandmarken, nicht umbringen. Jetzt bereue ich diese Entscheidung, aber möglicherweise bekomme ich eine zweite Chance, ehe Ihr aus dem Land und in die Normandie zurückgejagt werdet.«
Er war keineswegs überzeugt, verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte breit. »Und weshalb habt Ihr mich nicht getötet?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Mir war nicht danach«, versetzte sie. »Jetzt allerdings hätte ich nicht übel Lust dazu.«
Er lachte, und ihr wurde bewußt, daß er ihr immer noch kein Wort glaubte. Das konnte sie ihm nicht einmal verdenken, denn wenn man es genau nahm, hatte sie ihm bis zu dieser Minute nichts als Lügen aufgetischt... Sie fragte sich, ob er inzwischen herausgefunden hatte, daß sie gar keine Ordensschwester war. Natürlich, dachte sie, der ehemalige Steuereintreiber hatte es ihm bestimmt verraten.
Nichola spürte mit einem Mal, wie sie die Fassung verlor und ihre Knie weich wurden, und beschloß, den normannischen Baron kühl zu verabschieden. Sie streckte die Hand nach dem Vorhang aus, um ihn zuzuziehen, aber Royce war schneller als sie, faßte nach ihrer Hand und hielt sie fest, noch ehe sie den Stoff erwischen konnte.
Die Berührung brannte wie ein Hornissenstich, und sein Griff war so fest, daß Nichola den Versuch aufgab, sich loszureißen. Der Kampf war
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