Die Braut des Normannen
lange, bis er seinem Freund die Kleider ausgezogen und ihn mit einem Berg dicker, weicher Decken zugedeckt hatte.
»Die Wunden an seinem Arm und seiner Schulter sind eitrig«, bemerkte die Äbtissin mit besorgtem Blick. »Schwester Felicity wird wissen, was zu tun ist.« Sie beugte sich über das Bett und strich Hugh mit einer mütterlichen Geste über die Stirn. »So Gott will, wird dieser Mann wieder gesund.«
Royce senkte höflich den Kopf, als die Nonne ihm und seinen beiden Begleitern vorschlug, das Kloster zu verlassen, widersetzte sich aber der Bitte. »Nein, ein normannischer Soldat wird ständig bei Hugh Wache halten, bis er seine Krankheit überwunden hat. Außerdem darf Hugh nichts essen oder trinken, was nicht von einer Eurer Schwestern vorgekostet wurde«, fügte er entschlossen hinzu.
Die erstaunte Miene der Äbtissin machte deutlich, daß sie nicht an Widersprüche oder Forderungen gewöhnt war. »Ihr seid ein sehr mißtrauischer Mann, Baron«, sagte sie. »Dies ist ein geweihter Ort, und Euer Freund hat nichts von uns zu befürchten.«
Da Royce nur mit einem Achselzucken reagierte, setzte sie hinzu: »Was wollt Ihr tun, wenn ich nicht mit Euren Anordnungen einverstanden bin?«
»Ihr würdet Hugh nie wegschicken«, behauptete er, »das ließen Eure Gelübde nicht zu.«
Ihr Lächeln verblüffte ihn. »Ich sehe, daß Ihr ebenso halsstarrig seid wie ich selbst. Wir werden beide einige Zeit im Fegefeuer schmoren müssen wegen dieser Charakterschwäche ... Also schön, ich beuge mich Euren Wünschen.«
Hugh stöhnte im Schlaf, und die Mutter Oberin steckte behutsam die Decke um ihn fest und flüsterte dabei beruhigend auf ihn ein. Dann zog sie den Vorhang zu und machte sich auf die Suche nach Schwester Felicity. Als sie gegangen war, gab Royce Ingelram und Hughs Gefolgsmann ein Zeichen, und die beiden Männer bezogen sofort auf beiden Seiten vor der Tür Posten. Kein Mensch außer den Nonnen würde Zugang zu diesem Saal haben, bis Hugh wieder bei Kräften war.
Während er auf die Rückkehr der Äbtissin wartete, konnte Royce seine Neugier nicht länger bezähmen. Er mußte sich den angelsächsischen Soldaten ansehen und sich mit eigenen Augen davon überzeugen, daß er zu krank war, um für Hugh eine Bedrohung darzustellen. Royce war nicht der Mann, der etwas, was ein Angelsachse behauptete, glaubte, solange er das nicht persönlich überprüft hatte.
Royce umrundete Hughs Bett und streckte gerade die Hand nach dem Vorhang aus, als ihn jemand von der anderen Seite energisch aufriß.
Er fand sich Lady Nichola gegenüber. Sie sog scharf die Luft ein, was ihm verriet, daß sie ebenso überrascht über diese Begegnung war wie er selbst. Vermutlich hatte sie angenommen, daß er zusammen mit der Äbtissin den Saal verlassen hätte. Royce war sich im klaren, daß sie jedes Wort ihrer Unterhaltung mitangehört hatte.
Jetzt standen sie sich, nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt, gegenüber, und der leichte Rosenduft betörte seine Sinne.
Gütiger Himmel, sie war so schön – und sie war, so hoffte er zumindest, zum Tode erschrocken. Ihre Augen waren weitaufgerissen, und er glaubte, Angst in ihrem unsteten Blick zu erkennen.
Ja, dachte er, sie fürchtet sich vor mir – eine durchaus vernünftige Reaktion, wie er fand. Diese Frau hatte verdammt gute Gründe, Angst vor ihm zu haben. Immerhin forderte jede Maßnahme eine Gegenmaßnahme heraus – oder Vergeltung. Lady Nichola hatte ihn belogen, um sich seinem Zugriff zu entziehen, aber bald schon würde sie für diese Lüge büßen müssen.
Einige Minuten sagte keiner von ihnen ein Wort. Royce baute sich drohend vor ihr auf und wartete darauf, daß sie zurückwich. Sie war jedoch nur damit beschäftigt, ihren Zorn zu unterdrücken, aber je länger sie ihn anstarrte, desto wütender wurde sie. Wie konnte es dieser Normanne wagen, in das Krankenzimmer ihres Bruders einzudringen?
Sie reckte trotzig das Kinn.
Sein Lächeln erstarb.
Sie hatte gar keine Angst vor ihm. Diese Erkenntnis traf ihn wie ein Keulenschlag, und gleich darauf zuckten ihm sündige Gedanken durch den Kopf. Die Frau war ihm so nahe, daß er nur zuzugreifen brauchte. Großer Gott, wie einfach wäre es gewesen, sie sich über die Schulter zu werfen, und das Kloster mit ihr zu verlassen – eine schändliche Idee, da sie sich im Moment im Schutz der Kirche befand. Aber noch viel verwerflicher als diese Idee war die gewaltige Woge der Begierde, die ihn unvorbereitet
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