Die Braut des Normannen
Bruder im Krieg verloren, wenn die Gerüchte der Wahrheit entsprachen, und Royce war sich im klaren, daß sie sich für Justins Wohlbefinden verantwortlich fühlte. Sie hatte eine schwere Bürde auf ihre zarten Schultern geladen – eine zu schwere Bürde für ein so junges Menschenkind, dachte er.
»Justin würde in diesem Fall nach England zurückkommen, sobald er seine Ausbildung beendet hat und allein zurechtkommt. Es besteht aber auch die Chance, daß ich in diesem Land bleibe, Nichola.«
Bei Gott, das hoffte sie – nur um Justins willen, schränkte sie in Gedanken ein. Nichola fühlte sich erleichtert. Der Baron würde sein Wort halten, daran hatte sie jetzt keinen Zweifel mehr.
»Ich verstehe immer noch nicht, wie Ihr die Verantwortung für einen angelsächsischen Soldaten übernehmen könnt, Baron, wenn Ihr ...«
Er bedeckte erneut ihren Mund mit seiner Hand. »Die Diskussion ist beendet« verkündete er. »Ich habe schon genug Langmut bewiesen, Nichola. Ich habe Euch gestattet, Euren Bedenken Ausdruck zu verleihen, und meine Position deutlich gemacht. Wir werden keine Zeit mehr mit diesem Thema verschwenden.«
Obwohl sich Nichola ganz und gar nicht mit diesem Diktat einverstanden zeigte, ergriff Royce Maßnahmen, seine Ankündigung wahr zu machen. Er trieb seinen Hengst zu einer schnelleren Gangart an, so daß eine weitere Unterhaltung unmöglich war.
Als sie am Fuß des Hügels ankamen und Royce seinen Schild in Empfang nehmen wollte, gab es einen Zwischenfall, der Nichola zum Lachen reizte. Der Knappe, der den Schild hielt, wollte offensichtlich Eindruck auf den Baron machen und warf ihn ihm lässig zu. Aber der Junge hatte das Gewicht nicht berechnet, und der rautenförmige Schild landete auf der Erde zwischen den Streitrössern.
Nichola wäre beinah in lautes Lachen ausgebrochen, doch dann sah sie das erschrockene Gesicht des jungen Soldaten. Sie konnte ihn nicht noch verlegener machen, indem sie ihn in aller Öffentlichkeit auslachte. Sie biß sich auf die Unterlippe, schlug die Augen nieder und wartete auf eine Reaktion von Royce.
Er sagte kein einziges Wort. Sie hörte sein Seufzen, und dabei hätte sie um ein Haar ihre mühsam aufrechterhaltene Beherrschung zu verloren. Er schien zu ahnen, daß sie sich das Lachen verbeißen mußte, und verstärkte den Griff um ihre Taille – eine stumme Botschaft, Stillschweigen zu bewahren, vermutete sie. Der arme Knappe gewann schließlich seine Geistesgegenwart zurück und machte Anstalten, den Schild aufzuheben. Sein Gesicht war hochrot, als er sich bückte.
Und noch immer bestrafte Royce ihn nicht. Er nahm stumm den Schild entgegen und setzte sein Pferd an die Spitze des Trupps. Gleich, als sie außer Hörweite des gedemütigten Knappen waren, konnte Nichola nicht mehr an sich halten, und sie lachte laut los.
Sie dachte, er würde mit einfallen, immerhin war die Situation wirklich komisch gewesen, aber er lachte nicht, sondern zog seinen Umhang über ihren Kopf. Offenbar nahm er Anstoß an ihrem Ausbruch.
Ab diesem Zeitpunkt bis zum Abend gab es allerdings wenig zu lachen. Als es zu dunkel wurde, weiter zu reiten, schlugen sie ein Lager auf. Nichola kam allmählich zu der Einsicht, daß Royce ein einigermaßen verträglicher Mann war. Er vergewisserte sich, daß sie es warm genug hatte und ausreichend zu essen bekam, und er stellte ihr sogar ein Zelt in der Nähe des Feuers auf.
Aber dann zerstörte er das positive Bild, das sie sich von ihm gemacht hatte, indem er auf den Grund für ihre Reise nach London zu sprechen kam. Er redete von einer sofortigen Heirat und bezeichnete Nichola immer wieder als eine Art Auszeichnung, die der König jemandem zugedacht hatte.
Sie schmiedete insgeheim Fluchtpläne und gab vor, sich in alles zu fügen und vollkommen erschöpft zu sein. Sie mußte auf eine günstige Gelegenheit warten. Royce reichte ihr wieder seinen Umhang und noch dazu eine Decke für die Nacht, und Nichola dankte ihm für seine Fürsorge.
Er lachte.
Nichola machte sich auf den Weg in ihr Zelt, aber sie hielt noch einmal inne und drehte sich um. »Royce?«
Er war überrascht, weil sie ihn mit seinem Namen ansprach. »Was ist?«
»Ganz gleich, was auch immer aus mir wird, Ihr könnt Euer Versprechen, das Ihr der Äbtissin gegeben habt, nicht brechen. Ihr habt Euch verpflichtet, auf Justin aufzupassen und für ihn zu sorgen, nicht wahr?«
»Ja«, erwiderte er. »Ich habe mein Wort gegeben und werde es halten.«
Das genügte ihr. Ein paar
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