Die Braut des Normannen
Geste um Ruhe. Mit lauter, donnernder Stimme forderte er alle verheirateten Ritter, Frauen und Kinder auf, den Saal zu verlassen. Die ledigen Ritter sollten bleiben.
Royce hielt diesen Befehl für äußerst seltsam, und die verwirrten Gesichter der Umstehenden verrieten ihm, daß es den anderen nicht anders erging, aber niemand fragte den König nach dem Grund für seine Order. Royce nahm wieder seinen Platz an der Wand ein, da er von hier aus den besten Blick auf die große Doppeltür hatte, durch die Nichola jeden Moment hereinkommen mußte. Er nickte Lawrence zu, lehnte sich wie zuvor an die Wand und wartete.
Als sich die Tür öffnete, drehten sich alle, auch der König und die Königin, um und beobachteten, wie Lady Nichola den Saal betrat.
Diejenigen, die gesessen hatten, beeilten sich, auf die Füße zu kommen, und irgend jemand klatschte in die Hände. Einer nach dem anderen fiel in den Beifall ein, bis ein donnernder Applaus in der großen Halle aufbrandete.
König William hatte Platz behalten, aber er klatschte ebenfalls Beifall. Nichola verstand überhaupt nicht, was los war. Sie blieb stehen und wandte sich verwirrt um, um nachzusehen, wer hinter ihr stand und die Männer zu solchen Begeisterungsstürmen hinriß.
Royce sah ihrer ahnungslose Miene an, daß sie gar nicht begriff, daß die Ovationen ihr galten. Aber der Lärm brachte sie nicht einmal aus der Fassung – im Gegenteil, sie wirkte ausgesprochen gelassen.
Sie war schön in ihrem dunkelblauen Gewand. Royce fand, daß ihr diese Farbe noch viel besser stand als das Weiß, das sie zuvor getragen hatte.
König William winkte Nichola zu sich, aber sie zögerte einige Sekunden, ehe sie der Aufforderung Folge leistete.
Royce registrierte mit Groll die vielen lüsternen Blicke, die Nichola verfolgten, als sie vor den König trat. Am liebsten hätte er diese unverschämten Burschen gleich jetzt und hier zur Rechenschaft gezogen und niedergeschlagen. Brennende Eifersucht durchschnitt sein Herz, und genau in diesem Augenblick wurde ihm klar, was er tun mußte.
»Was hat Euch so verärgert, Royce?« erkundigte sich Lawrence neugierig.
»Nichts«, brummte Royce. »Verdammt, Lawrence, Nichola muß höllische Schmerzen haben. Sie hat Brandblasen an beiden Armen. Sie sollte sich hinlegen und sich ausruhen.«
»Unser Herrscher hat anders entschieden«, bemerkte Lawrence. »Vielleicht hält er es für das beste, diesem Wettbewerb ein Ende zu machen«, fügte er noch hinzu, bevor er sich abwandte, um Nichola anzusehen.
Doch Nichola verspürte keinerlei Schmerzen. Baron Samuel hatte ihr versichert, daß der Balsam aus Ingredienzien bestand, die betäubend und heilend zugleich wirkten, und er hatte recht behalten. Selbst wenn sie es gewollt hätte, wäre es ihr nicht gelungen, vor dem neuen König von England demütig auf die Knie zu fallen, da sie den Saum ihres Gewandes nicht anheben konnte.
William bemerkte, daß sie zögerte, und beugte sich vor. »Wollt Ihr nicht vor Eurem König knien?«
Er runzelte die Stirn, als seine Frau einwarf: »Das kann sie nicht, mein Lieber. Ihre Hände sind bandagiert, und sie ist nicht in der Lage, ihre Röcke festzuhalten. Sie würde fallen, wenn sie es versuchte. Liebste Nichola«, rief Matilda, »senkt Euren Kopf, das wird Eurem König genügen.«
William nickte – die Erklärung seiner Gemahlin hatte ihn besänftigt. Nichola hätte gute Lust gehabt, dem König die Stirn zu bieten und ihm die Ehrenbezeugung zu versagen. Aber was würde dann aus Ulric werden?
Sie verbeugte sich.
William lachte vergnügt. »Ihr habt großen Mut bewiesen«, lobte er sie mit so lauter Stimme, daß jedermann im Raum ihn hören konnte. »Ich hatte vor, meinen Rittern zu gestatten, um Eure Hand zu kämpfen, aber jetzt habe ich mich anders entschieden. Ihr habt die Wahl.«
Nicholas Kopf zuckte in die Höhe, und William lächelte erfreut, weil ihm die Überraschung gelungen war. »Ja, Ihr dürft Euch selbst einen Ehemann aussuchen«, sagte er. »Seht Euch um, meine Liebe. Vor Euch stehen nur ehrenwerte Soldaten, Lady Nichola, und Ihr könnt jeden haben, den Ihr wollt. Wir werden warten, bis Ihr Eure Wahl getroffen habt, auch wenn es die ganze Nacht dauern sollte. Die Hochzeit findet statt, sobald Eure Entscheidung gefallen ist.«
Baron Guy brach in höhnisches Gelächter aus, zupfte seine rote Jacke zurecht und trat einen Schritt vor. Einer seiner Freunde versetzte ihm einen Stoß in die Rippen und grinste bedeutungsvoll.
Guy
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