Die Braut des Normannen
zweifelte keinen Augenblick daran, daß sich Nichola für ihn entscheiden würde, und er wäre gar nicht auf die Idee gekommen, daß man ihn für eingebildet halten könnte, weil er so von sich überzeugt war. Er kannte seine Vorzüge, und er war ein gutaussehender Mann, vielleicht der bestaussehendste in Williams ganzer Armee. Die Frauen scharten sich reihenweise um ihn. Warum auch nicht? Er hatte dichtes blondes Haar, strahlende Augen, blendendweiße Zähne und trat selbstbewußt auf. Außerdem war er groß, schlank und kräftiger als drei gewöhnliche Männer zusammen. Was konnte sich eine Frau mehr wünschen?
Ja, sie würde sich für ihn entscheiden, er brauchte sie lediglich auf sich aufmerksam zu machen. Dann mußte er nur noch lächeln, und sie wäre von ihm hingerissen.
Als sich Lady Nichola umdrehte und durch die Menge schritt, drängte sich Guy an ihre Seite und stellte sich ihr in den Weg. Er lächelte. Sie blieb stehen, sah ihm direkt in die Augen und erwiderte das Lächeln.
Dann umrundete sie ihn und setzte ihren Weg fort.
Guy konnte nicht fassen, daß sie ihn zurückwies – er ergriff ihren Arm, aber Nichola schüttelte sein Hand ab.
Guys Gesicht lief hochrot vor Scham an. Er ballte die Hände zu Fäusten und widerstand nur mit Mühe dem Drang, sie bei den Schultern zu packen und zu zwingen, ihn zu wählen. Um nicht das Gesicht zu verlieren, gab er sich gleichgültig. Guys treueste Gefolgsmänner, Morgan und Henry, bauten sich rechts und links von ihm auf und stellten offen ihre Wut zur Schau, als sie Nichola mit finsteren Blicken nachsahen.
Nichola ahnte nicht einmal, daß sie jemanden verärgert hatte – ihre ganze Aufmerksamkeit galt nur einem einzigen Mann: Royce.
Er lehnte immer noch an der Wand und wirkte so gelangweilt, daß man meinen könnte, er würde gleich einschlafen.
Aber sein Blick war unverwandt auf sie gerichtet.
Je näher sie ihm kam, desto unruhiger wurde er, und Nichola biß sich auf die Lippen, um nicht laut zu lachen.
Nichola spürte die Spannung, die in der Halle herrschte, und merkte, daß Royce sich mehr als alle anderen verkrampfte, mit Sicherheit war es keinem der anwesenden Barone recht, daß sich der Spieß umgedreht hatte und die Frau, die sie bis jetzt als Kriegsbeute angesehen hatten, plötzlich einen von ihnen zu ihrem Ehemann bestimmen durfte.
Sie empfand sogar ein wenig Mitleid mit den Rittern, und gleichzeitig freute sie sich diebisch über diese Wendung.
Guter Gott, es war ein großartiger Augenblick.
Nichola ging unbeirrt weiter und blieb dicht vor Royce stehen. Sie sah ihn lange schweigend an.
Er konnte nicht glauben, daß sie wirklich vor ihm stand, und schüttelte den Kopf.
Sie hingegen nickte. »Royce?« sagte sie leise.
»Ja, Nichola?«
Sie lächelte bezaubernd, stellte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte ihm ins Ohr: »Schachmatt.«
5
Eine knappe halbe Stunde später waren sie verheiratet.
Beide – Braut und Bräutigam – benahmen sich wie Ehrengäste bei einem Menschenopfer. Ihrem eigenen.
Nichola vermied es, Royce anzusehen. Sie wußte auch so, daß er schrecklich wütend war.
Er ließ sie während der kurzen Zeremonie nicht aus den Augen. Sie mußte den Verstand verloren haben, dessen war er sicher.
Die Königin war die einzige, die rundum zufrieden wirkte, und als der Bischof die beiden zu Mann und Frau vereinigte, wischte sie sich gerührt über die Augen. Diese Zurschaustellung der Gefühle war für Matilda ungewöhnlich, denn normalerweise ließ sie niemanden bis auf William wissen, was sie dachte oder empfand.
Nachdem die Ehegelübde ausgesprochen waren, beugte sich Royce nieder, um seine Braut zu küssen. Darauf war Nichola nicht vorbereitet, und er ließ ihr auch nicht viel Zeit. Noch ehe sie auf die Berührung seiner Lippen reagieren konnte, zog sich Royce schon wieder zurück.
Dann drängten sich alle – auch die Frauen und Kinder, die wieder in den Saal gebeten worden waren – nach vorn, um dem frischvermählten Paar zu gratulieren. Die Männer nickten Nichola zu, während ihr die Frauen, da sie die verbundenen Hände nicht schütteln konnten, die Schultern tätschelten und ihr alles Gute für eine glückliche Zukunft wünschten.
Mit einem Mal wich die Menge zurück, als hätte jemand einen Befehl gegeben, den alle außer Nichola gehört hatten. Sie sah auf, um herauszufinden, was Royce über dieses seltsame Verhalten dachte, aber er achtete gar nicht auf sie, sondern hielt den Blick starr auf seine
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