Die Braut des Piraten
fleckigen Tisch. »Samtstoffe und Spitzen aus den Niederlanden.«
»Seide und Salzwasser gehen nicht zusammen. Soviel ich hörte, stammen sie aus einem Schiffbruch.« In den tief liegenden grauen Augen blitzte etwas auf. Etwas Kaltes und Unangenehmes.
»Sie waren in Kisten verpackt«, sagte Godfrey, der sich für seinen defensiven Ton verachtete und doch nicht im Stande war, ihn zu vermeiden. »Geschützt.«
Der andere nickte. »Und doppelt so fix an Land geschafft, möchte ich wetten.« Wieder lag das Blitzen in seinen Augen, und sein Unterton klang fast spöttisch.
Godfrey beherrschte seinen Zorn. Im Moment war er machtlos und musste hinnehmen, was dieser widerliche Kerl minderster Herkunft ihm an Beleidigungen an den Kopf warf. Aber das würde sich ändern. »Das ist das Geschäft«, spuckte er. »Ich könnte mir denken, dass Ihr es selbst sehr gut kennt.«
Sein Gesprächspartner gab keine Antwort. Er trank wieder einen Schluck und gab mit einer Kopfbewegung zur Theke George ein Zeichen. Dieser verstand und kam mit der Flasche, um nachzuschenken.
Als er gegangen war, fragte Godfreys Gegenüber sachlich: »Also, was gibt es außerdem noch? Tee? Silber? Glas? Porzellan? Es war doch ein Kauffahrer, oder?«
»Ja.« Godfreys Blick schärfte sich. »Mit wertvoller Fracht. Wir hatten großes Glück.«
»Allerdings«, murmelte der Mann. »Ein Jammer, dass das Glück des einen das Pech des anderen ist.«
Das war fast zu viel. Auf diese Stichelei hin erhob sich Godfrey halb von seinem Schemel. Dann setzte er sich wieder und zuckte die Schultern. »Ich bin gewillt, mein Glück zu teilen, andernfalls Ihr nicht hier wäret.«
»Wie wahr, wie wahr, junger Sir«, sagte der Mann. Sein Ton war plötzlich beschwichtigend, fast einschmeichelnd, sodass Godfreys Verwirrung wuchs und er das Gefühl bekam, auf Treibsand zu stehen.
»Am besten, ich sehe mir die Sachen an«, fuhr der Mann fort. »Was ich nicht geprüft habe, kaufe ich nicht.«
»An welche Mengen denkt ihr?« Godfrey vergaß seine Abneigung. Die nahe Rettung ließ sein Herz höher schlagen.
Der Mann pulte in der Nase. »Kommt darauf an, was ich zu sehen bekomme. Ich kaufe, was mir zusagt. Gefällt mir Eure Ware, dann nehme ich vielleicht alles. Wie gesagt, es kommt darauf an.«
»Die ganze Fracht …« Godfrey musste an sich halten, um sich sein Frohlocken nicht anmerken zu lassen, und sagte entschieden: »Für die ganze Ladung verlange ich einen Tausender.«
Der andere zog nur eine Braue in die Höhe. »Wenn sie es wert ist, werde ich zahlen.«
Godfrey überlegte. Jetzt war er unsicher. Wie konnte dieser abgerissen aussehende Mann über solche Mittel verfügen? Angst jagte ihm Schauer über den Rücken. War es eine Falle?
»Keine Angst, junger Herr, von mir werdet Ihr nicht betrogen.« Die Stimme war leise und unverschämt, und die Augen waren plötzlich klar und zu Godfreys Erstaunen sehr jugendlich.
Aufs Neue überkam ihn das Gefühl, dass alles nicht so war, wie es schien. »Wann wollt Ihr die Ware sehen?«, fragte er und zwang sich zu einer festen und ruhigen Redeweise.
»Morgen um Mitternacht. Erwartet mich in der Puckaster Cove.« Der Mann stand auf und schob seinen Schemel beiseite. Er blieb kurz stehen, die Hände tief in den Taschen seiner geflickten Breeches, und blickte auf Godfrey hinunter. »Ich warte nur eine Viertelstunde. Kommt allein. Ihr werdet mich ebenfalls allein antreffen.«
»Wie kann ich Euch trauen?«, wandte Godfrey ein.
Der Mann grinste hässlich. »So wie ich Euch trauen kann, denke ich.« Damit drehte er sich um und schlurfte aus der Schankstube.
Godfrey sah ihn gehen. Seine gebückte Haltung konnte weder über seine Größe noch über die geschmeidige Kraft seiner schlanken Gestalt hinwegtäuschen.
Wer war er? Was war er?
Nicht das, was er zu sein vorgab, so viel stand fest.
Godfreys Miene verfinsterte sich. Er hasste Geheimnisse, und dieses war gefährlich. Wenn er nicht wusste, mit wem er es zu tun hatte, wenn er ihn unterschätzte, konnte es sein Ruin sein. Er musste seine Ungeduld zügeln und vorsichtig zu Werke gehen. Aufschauend erhaschte er das verschlagene Feixen des Wirtes, der ihn ansah, als könne er seine Gedanken lesen.
Gleichmut vortäuschend spuckte Godfrey nun mit Absicht ins Feuer, ehe er sich aus der Schankstube trollte. Er holte sein Pferd aus dem Stall und ritt, von widerstreitenden Gefühlen erfüllt, zurück nach Carisbrooke Castle. Der flüchtige Blick auf den Menschen hinter dem wenig
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