Die Braut des Ritters
runzelte die Stirn. „Nay, ich hasse dich nicht.“ Sie drückte Diamandas Hand, froh zu wissen, dass ihr das Mädchen, das sie als Freundin ansah, nicht nach dem Leben trachtete. Zugegeben, Diamanda hatte ihre Näharbeit vernichtet, das aber konnte Avelyn verzeihen. Hätte sie es damals erfahren, als es passiert war, so wäre sie vielleicht wütender gewesen. Doch das alles schien ewig lange her zu sein, und zudem nahm sie Diamanda die Zerknirschung ab.
„Wenn du willst, dass ich Rumsfeld verlasse, werde ich zurück nach Gerville gehen“, bot Diamanda an, wenngleich ihre Miene erkennen ließ, dass ihr der Gedanke zuwider war.
Avelyn schüttelte den Kopf. „Das brauchst du nicht, Diamanda. Wir sind Freundinnen, und Freundinnen vergeben einander, wenn eine einmal etwas Dummes getan hat.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Du hast einen Fehler begangen, ihn eingestanden und dich entschuldigt. Das genügt mir.“
„Wirklich?“ Diamanda sah sie unter ihren langen Wimpern hervor hoffnungsvoll an.
„Aye.“
„Dann wirst du weiterhin meine Freundin sein?“
„Ganz bestimmt“, beteuerte Avelyn. „Ich bin froh, dich zur Freundin zu haben, Diamanda.“
„Oh, Avy!“ Diamanda warf sich ihr um den Hals und schloss sie fest in die Arme. „Du bist wahrhaftig die Beste! Ich danke dir. Und ich verspreche dir, dass du es nicht bereuen wirst. Von nun an werde ich die beste Freundin sein, die du dir nur wünschen kannst.“ Sie rückte ein Stück ab und nahm Avelyn bei den Händen. „Ich kann kaum glauben, dass ich allein dich für einen Glückspilz gehalten habe, weil du Paen hast heiraten dürfen. In Wahrheit können wir uns doch alle glücklich schätzen, dass ihr beide geheiratet habt.“
Avelyn belächelte den Überschwang des Mädchens. Die Worte rührten sie.
In diesem Moment betrachtete Diamanda den immer noch bewusstlosen Gemahl ihrer Freundin, und ihre Miene verdunkelte sich. „Natürlich werde ich das alles auch Paen beichten müssen. “
„Ich glaube nicht, dass das nötig ist“, erwiderte Avelyn.
„Meinst du, es wäre richtig, es ihm zu verheimlichen?“ Diamanda hob eine Braue und schüttelte den Kopf. „Das würde unweigerlich schiefgehen. Eines Tages rutscht dir aus Versehen eine Bemerkung heraus, die die ganze erbärmliche Geschichte ans Licht bringt. Paen wird dann böse sein, weil wir es verschwiegen haben. Außerdem hat er ein Recht darauf, zu erfahren, dass du gar nicht allzu sehr zu Unfällen neigst.“
„Ich neige überhaupt nicht zu Unfällen“, entgegnete Avelyn.
Diamanda bedachte sie mit einem skeptischen Blick. Nach kurzem Zögern fragte Avelyn: „Meinst du, du könntest Paen eine Weile für mich im Auge behalten? Ich muss etwas überprüfen.“
„Aye, selbstredend, geh nur. Ich wäre ohnehin lieber allein mit ihm, wenn er aufwacht und ich ihm alles gestehe. Gleich hinterher hole ich dich dann, in Ordnung?“ Avelyn überlegte, ob sie ihr nochmals versichern solle, dass sie die leidige Angelegenheit Paen gar nicht offenbaren müsse, entschied sich aber dagegen. Diamanda hatte recht - eines Tages mochte ihr ein falsches Wort über die Lippen kommen und für unnötigen Wirbel sorgen. Und Avelyn vertraute darauf, dass Paen nicht allzu hart mit Diamanda ins Gericht gehen werde.
„Gut. Es wird nicht lange dauern, ich will nur rasch etwas auf dem Wehrgang kontrollieren. Schick mir jemanden, sobald Paen wieder sein Bewusstsein erlangt, und bis ich wieder da bin, kannst du ja mit ihm reden.“
Oben auf dem Wehrgang strich Avelyn behutsam über die Stelle, an der sich der Steinquader befunden hatte, der sie nur knapp verfehlte. Sie beugte sich vor, um auf den unten liegenden Stein hinabzublicken. Während sie sich mit Diamanda unterhalten hatte, war es ihr immer wahrscheinlicher erschienen, dass es sich bei dem herabgestürzten Stein nur um einen Unfall gehandelt hatte. Aber gänzlich überzeugt, das hatte sie gewusst, wäre sie erst, wenn sie begutachtet hätte,, woher der Quader stammte.
Nichts an seinem ursprünglichen Platz wies darauf hin, dass er hinuntergestoßen worden war. Es gab keinerlei Spuren, die darauf hindeuteten, dass man ihn mit einem Stemmeisen ausgehebelt hatte. Andererseits fiel es ihr schwer zu glauben, dass er sich zum Fallen ausgerechnet den Moment ausgesucht hatte, in dem sie unten vorbeispaziert war. Avelyn runzelte die Stirn, als sie die Finger über die Außenkante der Lücke gleiten ließ. Die Kante war in der Mitte leicht erhaben.
Sie neigte sich
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