Die Braut des Ritters
haben.“
Avelyn starrte ihn an, weil er etwas als belanglos abtat, das ihr eben noch wie das Ende der Welt erschienen war. „So etwas kommt vor?“, brachte sie heraus.
„Aye, ich ruiniere die Nähte meiner Tuniken pausenlos. Seit Diamanda bei uns ist, näht sie mir zu jedem Geburtstag und Weihnachtsfest eine neue Tunika, und eine jede ist um die Schultern herum zu eng. Solange ich mich nicht bewege, ist alles in Ordnung, aber sobald ich zum Schwert greife und meine Muskeln anspanne, reißen die vermaledeiten Dinger. “ Wieder zuckte er mit den Schultern. „Nicht der Rede wert.“
Er ließ den Blick über ihr rotes Gewand gleiten. Wieder biss sich Avelyn auf die Lippe, weil sie sich sorgte, dass sie ihm nun, ohne geschnürt zu sein, nicht mehr gefallen würde. Sie mühte sich, nicht in sich zusammenzusinken.
„So seht Ihr viel besser aus“, verkündete er. „Ihr habt Farbe auf den Wangen und wirkt nicht länger eingefallen und wie ein Fisch.“
„Wie ein Fisch?“ Avelyn war bestürzt.
„Genau.“ Er schürzte die Lippen und sog die Wangen ein, um ihr zu zeigen, was er meinte. Avelyn spürte, wie sie rot anlief. Sie hatte ja nicht geahnt, wie lächerlich sie sich gemacht hatte. Und sie hatte geglaubt, dadurch besser auszusehen! Unbehaglich bemerkte sie, wie er die Stirn runzelte. Also war er doch unzufrieden mit seiner Braut, dachte sie bekümmert. Gleich würde er es aussprechen. Sie wappnete sich schon, als er plötzlich vortrat, nach ihrem Haar griff und das Band wieder löste, mit dem Runilda die Flechten gerade neu raffte.
„Euer Haar ist wunderschön“, sagte er. „Offen gefällt es mir besser. Aye, Ihr werdet es offen für mich tragen.“ Er nickte, nahm sie bei der Hand und zog sie zur Tür.
Avelyn stolperte hinter ihm her und strahlte über die Schulter hinweg ihre Eltern, Lady Gerville, Gunnora und Runilda an. „Er mag mein Haar“, stellte sie fest. „Ich soll es offen für ihn tragen, Merk dir das, Runilda!“, rief sie und war auch im nächsten Moment im Gang verschwunden. Sie mühte sich, mit den langen Schritten ihres Gemahls mitzuhalten. Zum Glück blieb Paen kurz vor der Treppe stehen. Er wandte sich um, als wolle er etwas sagen, und runzelte einmal mehr die Stirn, als er sah, dass Avelyn ganz außer Atem war.
Sie klappte den Mund zu und sog stattdessen gierig durch die Nase Luft ein. Normalerweise hätte ein solch kleiner Lauf sie nicht dermaßen erschöpft; vermutlich hatte sie sich bislang nicht davon erholt, dass sie eingeschnürt gewesen war.
„Vergebt mir, Gemahlin. Ich habe ganz vergessen, was für ein zierliches Wesen Ihr seid. Ich werde lernen müssen, meinen Schritt dem Euren anzupassen.“
„Zierlich?“ Fast wäre Avelyn in Tränen ausgebrochen. Als „zierlich“ hatte sie nun wirklich noch niemand bezeichnet.
„Aye. Nun, Gott sei Dank seid Ihr nicht so dürr wie andere Frauen. Wenn das der Fall wäre, würde ich ständig bangen, dass Ihr krank würdet oder ich Euch zerdrücke. Zum Glück seid Ihr wohlgenährt und habt Fleisch auf den Knochen, sodass Ihr mir zwischen den Betttüchern nicht verloren geht. Aber dennoch seid Ihr kleiner als ich, sodass ich lernen muss, langsamer zu gehen.“
Paen hakte sie unter und merkte daher nichts von dem Wechselbad der Gefühle, das sich auf ihrem Gesicht spiegelte. Avelyn wusste nicht so recht, was sie von seinen Ausführungen halten sollte. „Wohlgenährt“ und „Fleisch auf den Knochen“ klang in ihren Ohren nicht gerade schmeichelhaft, aber zumindest schien er nicht abgestoßen von ihr zu sein. Ehe sie entscheiden konnte, ob er aufrichtig zufrieden war oder nur das Beste aus der Lage machte, hatte er ihren Arm um den seinen gelegt und schritt mit ihr an seiner Seite die Treppe hinab.
Die ersten Stufen nahm Avelyn noch leichten Herzens, doch als die große Halle mit den Tischen und der feiernden Menge in Sicht kam, stockte sie. Paen merkte es und erahnte auch sofort den Grund.
„Eure Cousins und Eure Cousine braucht Ihr nicht mehr zu fürchten“, sagte er bestimmt. „Sie werden Euch nicht mehr behelligen.“
Sie begegnete seinem festen Blick und fragte sich neugierig, wie er das denn verhindern wolle, stellte die Frage jedoch nicht laut. Stattdessen atmete sie tief durch und hielt sich dicht bei ihm, als sie eintraten. Als man sie sah, senkte sich Stille über die Halle. Das Schweigen war Avelyn unangenehm. Sie spürte, wie sie errötete, und argwöhnte, dass sie in ihrem roten Kleid nun tatsächlich einer
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